Impressionen aus dem inrev-Talk zum Thema „Rassismuskritische Perspektiven“

Am 08.08.23 fand unser vierter inrev-Talk statt und zwar zum Thema „Rassismuskritische Perspektiven”. Die Idee des inrev-Talks: Ein kurzer, thematischer Impuls als Einstieg in ein lebendiges Gespräch, bei dem professions- und handlungsfeldübergreifend diskutiert und überlegt werden kann. Dieses Mal stellte sich Kristina Herbst von DisKursLab der Herausforderung, uns in maximal fünf Minuten in das Thema „Rassismuskritik” einzuführen und das Gespräch durch Denkimpulse zu eröffnen.

Gestartet sind wir mit einer Vorbemerkung, die deutlich gemacht hat, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftlich verankertes Problem ist, mit dem alle aufgewachsen sind und das auch in kirchlichen und religionspädagogischen Wissensbeständen enthalten ist. Um rassismuskritisch zu sein und um Rassismus zu destabilisieren, müssen wir uns einem längeren und selbstreflexiven Prozess hingeben.

Impulsfragen für die Diskussion waren:

„Oppression olympics“ – Wie kann man in der Praxis damit umgehen?

Es scheint einen „Wettbewerb“ zwischen verschiedenen Diskriminierungsmustern zu geben: Welches ist das Wichtigste und vorrangig zu behandeln und was lässt man dann liegen, wenn man das eine bearbeitet? Dabei entsteht gelegentlich ein Gegeneinander bzw. ein Gegeneinander-Ausspielen. Es wurde berichtet, dass die Wahrnehmungen von pädagogischen Fachkräften ganz unterschiedlich sind und manche zum Beispiel sehr sensibel für Antisemitismus sind aber Muslimfeindlichkeit gleichzeitig ein noch unbekanntes Diskriminierungsmuster darstellt. Insgesamt seien alle Pädagogischen Fachkräfte an ihre Grenzen gestoßen. Es wurde gefragt, wie wir damit umgehen können und wie wir die dringendste und die weniger dringenden Aufgaben unterscheiden. Das Fazit der Diskussion: Sich auf genau diese Unterscheidung nicht einzulassen.

Wie spiegelt sich Rassismuskritik in der inrev-Perspektive wider?

Viel wurde über den Zusammenhang von Rassismuskritik und InReV gesprochen. Angefangen bei der Frage, warum der Ansatz „rassismuskritisch“ heißt und damit etwas Exkludierendes unterstreicht und nicht stattdessen z.B. „vielfaltspositivistisch“? Eine Antwort aus einer rassismuskritischen Perspektive hierauf ist, dass es nicht reicht, Vielfalt zu bejahen und das Potenzial zu sehen. Rassismus ist allumfassend und strukturell, daher braucht es eine selbstkritische und durchaus schmerzhafte Phase des Erkennnens, denn dieses Selbstreflexive ist auch mit der Erkenntnis von eigenen Privilegien gekoppelt. Hierfür muss Rassismus als Diskriminierungsmuster konkret benannt werden. Das bedeutet zugleich, dass es auch nicht ganz ohne Reifizierung und Reproduktion gehen kann, denn es braucht Beispiele, um zu erkennen, wer leidet und wer profitiert, wo die Machtunterschiede liegen.

Der InReV-Ansatz arbeitet mit der Idee, nicht den „Wettbewerb“ gewinnen zu wollen, wie oben angedeutet, wer das schlimmste Übel mit sich trägt, sondern mit den Leitbegriffen „Gerechtigkeit“ und „Anerkennung“ zu operieren und damit sowohl einerseits auf die Vielfalt zu schauen, die als bejahenswert angenommen wird, andererseits aber auch auf die Strukturen zu schauen, die machtvoll usw. sind. An dieser Stelle ließen sich rassismuskritische Perspektiven gut einpflegen. Ganz konkret etwa in der Arbeit mit Leitlinien. Hier zeigt sich ein besonderer Verbindungspunkt, denn Kristina Herbst konnte ankündigen, dass in den nächsten Wochen „Rassismuskritische Impulse“ veröffentlicht werden, die mit einem Impulstext beziehungsweise Video/Audio als Bildungsmaterial dienen sollen.

Dort also, wo wir InReV als Analyseinstrument benutzen, zeigt sich die Verbindung mit der rassismuskritischen Perspektive. Nicht aber dort, wo Vielfalt deskriptiv erfasst wird. Denn hier zeigt sich eine Analogie zur barrierefreien Theologie, in der es darum geht, Strukturen ausfindig zu machen und in der es auch die Betroffenenperspektive braucht.

Womöglich ist es auch gut, dass Rassismuskritik als Begriff nicht explizit im Ansatz von InReV enthalten ist. Stattdessen wäre es gut dem Ansatz noch das entsprechende Wissen über Rassismus als Diskriminierungsmechanismus hinzuzufügen. Auf diese Weise könnten auch Unsicherheiten und Abwehrmechanismen umgangen werden.

Als weitere Verknüpfung unserer Diskurse hat sich das Trilemma der Inklusion von Mai-Anh Boger erwiesen, mit dem sowohl im InReV-Netzwerk als auch bei DisKursLab gearbeitet wird.

Für den Aspekt der Selbstreflexion wurde der Impuls, performative Elemente mit einzubeziehen, eingebracht.

Weitere Fragen aus der Diskussion:

Eine aus der Aus-/Fortbildung aufgegriffene Frage: Muss ich Rassismuskritik im RU behandeln, wenn ich niemanden habe, der davon betroffen ist?

Es braucht nicht erst jemanden, der betroffen ist. Jede Gemeinde oder Schule kann sich vorher damit beschäftigen und dennoch ist es wichtig zu schauen, wo Betroffenenperspektiven vorhanden sind. Es braucht dann jeweils eine andere Strategie, wie das Thema aufgegriffen wird.

Inwiefern braucht es Innenperspektiven für Rassismuskritik? Kann man das ohne Innenperspektiven machen?

Hierauf gibt es im rassismuskritischen Diskurs verschiedene Antworten, vor allem auch von betroffenen Personen, die verschieden antworten würden. Eine Mischung der Perspektiven ist natürlich gut. Es gibt aber verschiedene Bereiche und wenn es etwa um Wissensaneignung und Fragen von Abwehrverhalten geht, kann es auch ohne Betroffenenperspektive sinnvoll sein, weil die Erarbeitung schmerzhaft ist.

Ein Beitrag von Janine Wolf.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert