Impressionen vom zweiten inrev-Talk zum Thema „Religion“

Am 04.04. fand unser zweiter inrev-Talk statt und stand unter dem Thema „Religion“. Die Idee des inrev-Talks: Ein kurzer, thematischer Impuls als Einstieg in ein lebendiges Gespräch, bei dem professions- und handlungsfeldübergreifend diskutiert und überlegt werden kann. Dr. Juliane Ta Van stellte sich der Herausforderung, in maximal fünf Minuten in das Thema „Religion“ einzuführen und das Gespräch durch Denkimpulse zu eröffnen.

Dabei hat sie zunächst ganz offen die Frage gestellt „Religion? Wovon wird eigentlich gesprochen?“ und einen kurzen Überblick über substanzielle, funktionalistische und dimensionale Definitionen von ‚Religion‘ gegeben. Von der theoretischen Grundlage ging es in konkrete Religionsverständnisse. Anhand von Ergebnissen aus ihrer Dissertation konnte Juliane Ta Van aufzeigen, dass in Klassenzimmern unterschiedliche Religionsverständnisse vorherrschen – sowohl zwischen den Jahrgangsstufen als auch innerhalb einer Klasse. Diese Religionsverständnisse sind dimensional, das bedeutet, sie verbinden substanzielle und funktionale Ebenen – es geht also sowohl um das, was Religion inhaltlich ist, als auch um das, wozu Religion da ist. Juliane Ta Vans Beobachtung: Schüler*innen definieren Religion eher substanziell, wenn man sie nach „Definitionen“ fragt. Fragt man hingegen nach sprachlichen Bildern, dann tritt zu einer substanziellen Definition ein sprachliches Bild hinzu, das beschreibt, was Religion für sie leisten kann.

Schlaglichter aus der Diskussion:

Es gibt wahrscheinlich niemanden, der*die nicht sagen würde, dass er*sie weiß, was Religion ist, und gleichzeitig sind die Bilder so unterschiedlich. Es ist dasselbe Wort, aber die Konzepte im Kopf sind so verschieden, dass Verständigung eigentlich nicht möglich ist. Es ist nicht offen im Sinne von ‚offenbar‘, dass es überhaupt diese unterschiedlichen Konzepte gibt.

In der Diskussion haben wir einen Blick auf die aktuell in der Erarbeitung befindlichen Leitlinien zur Heterogenitätsdimension „Religion“ geworfen und zwei Aussagen diskutiert:

In einem für kulturelle und religiöse Vielfalt sensiblen Religionsunterricht werden abwertende Äußerungen, Haltungen und Handlungen gegenüber unterschiedlichen kulturell und religiös geprägten Milieus sowie gegenüber Personen, die sich diesen Milieus zugehörig fühlen, aufgedeckt und zurückgewiesen.

Reflexionsfragen: Tun wir das im universitären Kontext? Gibt es auch eine Offenheit für christlich-religiöse Vielfalt? Wie werden beispielsweise evangelikale Strömungen dargestellt und bewertet? Wie kann man es thematisieren, wenn in religiösen Grundannahmen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auftritt? Welche Verständnisse von Religion kann ich als akzeptabel gelten lassen und wo muss ich Grenzen setzen?

Impulse: Man muss unterscheiden zwischen Abwertung und Kritik. Es kommt darauf an, auf welche Weise Kritik geübt wird. „Kulturelle“ und „religiöse“ Vielfalt darf nicht (ausschließlich) in der Gestalt von Gruppen gehört werden, sondern muss intersektional verstanden sein. Kultur und Religion dürfen nicht zusammenfallen, sondern müssen differenziert werden.

Personen im Religionsunterricht können Religion kritisch gegenüberstehen. Dann wären das ‚Problem‘ nicht die religiöse Vielfalt oder ‚fremde‘ Religionen, sondern das Phänomen Religion an sich. Religion polarisiert, das haben auch die Beispiele von Juliane Ta Van gezeigt. Die Schwierigkeit ist, dass Schüler*innen nicht wissen, wogegen sie polarisieren, sondern über etwas urteilen, wozu da Wissen fehlt. Es ist also wichtig, Kritik an Religion zuzulassen, aber auf dem Hintergrund einer sachlichen Basis.

Es braucht Sprachfähigkeit auf allen Ebenen: Bei den Lehrkräften und bei den Schüler*innen.

Angesprochene Literatur zum Thema

Juliane Ta Van, „Religion“ in der Sicht von Schüler*innen. Eine qualitativ-empirische Untersuchung, Münster: Waxmann 2021.

Carsten Gennerich, Empirische Dogmatik des Jugendalters. Werte und Einstellungen Heranwachsender als Bezugsgrößen für religionsdidaktische Reflexionen, Stuttgart: Kohlhammer 2009.


Weiter ging es am 13.06. mit dem inrev-Talk zum Thema „Gender“. Wer noch nicht im inrev-Talk-Verteiler ist, aber gern dabei sein möchte, schicke einfach eine kurze Mail an anna.aurich@uni-hamburg.de

Ein Beitrag von Janine Wolf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert