Impressionen vom ersten inrev-Talk am 14.02.23

Am 14.02.2023 fand der erste inrev-Talk statt und stand unter dem Thema „Sozioökonomische Lage und Armut“. Die Idee des inrev-Talks: Ein kurzer thematischer Impuls als Einstieg in ein lebendiges Gespräch, bei dem professions- und handlungsfeldübergreifend diskutiert und überlegt werden kann. Dr. Vera Uppenkamp stellte sich als Erste der Herausforderung, in maximal fünf Minuten in die Thematik einzuführen und das Gespräch durch Denkimpulse zu eröffnen. Der Schwerpunkt lag dabei auf der aktuellen Situation von jungen Menschen, die angesichts zahlreicher Krisenerfahrungen auf unterschiedlich stark ausgeprägte Ressourcen zur Bewältigung dieser zurückgreifen können. Im anschließenden Gespräch, an dem Personen mit unterschiedlichen professionellen Bezügen zu Religionspädagogik teilnahmen, wurden Handlungsmöglichkeiten und Herausforderungen diskutiert.

Besprochen wurden vor allem zwei Impulsfragen:

Wie lässt sich RU konkret gestalten, um zur Resilienzförderung beizutragen? B) Wie lässt sich mit dem bleibenden Spannungsverhältnis umgehen, dass Armut eine individuelle und zugleich eine strukturelle Dimension hat?

Einige „Gedankensplitter“ sollen hier als Einblick in das Gespräch festgehalten werden:

Aus dem Impuls A) heraus ergaben sich mehrere Anschlussfragen, die diskutiert wurden: Wie ist der Selbstwert der Kinder und Jugendlichen zu fördern und zu unterstützen? Wie kann Empowerment aussehen, wenn Armut nicht individualisiert werden, aber Schüler*innen bestärkt werden sollen? Gibt es Empowerment, das die Logiken von ‚oben und unten‘ nicht bedient? Wie kann man non-formale Bildung wertschätzen und fördern?

Das Konzept des „Selbstwertes“ schien in der Diskussion ein Scharnier zwischen ‚Resilienz‘ und ‚Empowerment‘ zu sein, doch bei handfesten finanziellen Krisen ist die Frage, wie weit etwa ein konsumunabhängiges Selbstbild tragen kann, wenn die Sorgen und Ängste existenziell sind. Hier bräuchte es das Präsent-Machen und Präsent-Halten von Unterstützungsangeboten und insgesamt eine fördernde Schulkultur. Wer materiell abgesichert ist, kann angstfreier lernen.

Resilienzförderung steckt gewissermaßen im „Kerngeschäft“ des Religionsunterrichts, im Ritualisieren und im Wahrnehmen der einzelnen Schüler*innen. Aus dieser Perspektive bräuchte es Unterrichtsforschung, die konkret benennen kann, welche Aspekte des „Kerngeschäfts“ zur Resilienzförderung beitragen können und welche Altersspezifik jeweils zu beachten wäre.  

Zugleich hat der Religionsunterricht auch eine ganz eigene Fachverantwortung, die insbesondere in der Thematisierung von Verzicht zum Tragen kommt. Auf welcher Grundlage haben Aussagen wie „Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein“ ihren Wert und wo werden sie unpassend? Inwiefern werden freiwilliger und notgedrungener Verzicht thematisiert? Daneben ist es auch wichtig, dass Privilegien bei Lehrer*innen wie Schüler*innen in den Blick kommen und milieusensibel reflektiert werden, um keine Neid-Debatten anzuregen.

Hilfreiche Anknüpfungspunkte finden sich in der Befreiungstheologie und in Lesarten biblischer Geschichte, die politische Kraft haben, wie zum Beispiel das Lukasevangelium. Christliche Theologie muss hinsichtlich ungerechter sozioökonomischer Strukturen parteilich sein.

Der Impuls B) förderte die Anschlussfrage, wie eine Religionslehrkraft die individuelle Ebene adressieren kann, ohne Schüler*innen bloßzustellen. Einen Ansatzpunkt bieten hier Bilderbücher zum Thema Armut mit einer Identifikationsfigur, wodurch das Problem der Scham teilweise umgangen und der Aspekt des Strukturellen und Politischen ebenso aufgegriffen werden kann. Ein Beispiel ist das Buch „Schnipselgestrüpp“: https://www.beltz.de/kinderbuch_jugendbuch/produkte/details/6042-schnipselgestruepp.html

Auch das Lernen an Biographien kann hier ein Anschlusspunkt sein.

Literatur und Medien zum Thema

Im Laufe des Gesprächs gab es verschiedene Hinweise auf Literatur und Filme, die gesammelt wurden, u.a.:

Erzählungen über gesellschaftlichen Aufstieg durch Bildung mit vielen Geschichten aus dem Ruhrgebiet: https://reportage.wdr.de/unser-leben-zwischen-den-bildungsschichten-aufsteiger-erzaehlen-ihre-geschichte?

Dokumentation über strukturell benachteiligte Schüler*innen und die Förderung durch ein Stipendium: Meine Chance zum Aufstieg – https://www.ardmediathek.de/video/unterwegs-im-westen/meine-chance-zum-aufstieg/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTI3MmQ2NTUwLTBhMjItNDQ1Ny1hYjgxLWVkODM3N2VlZjc2Yg


Weiter geht es mit dem nächsten Talk zum Thema „Religion“ am 04.04.23 um 18.00! Wer noch nicht im inrev-Talk-Verteiler ist, aber gern dabei sein möchte, schicke einfach eine kurze Mail an anna.aurich@uni-hamburg.de

Ein Beitrag von Janine Wolf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert