Langfassung zu „Religiöse Vielfalt in der Religionspädagogik“ (Obermann)

Die folgende Darstellung der Aufnahme und der didaktischen Berücksichtigung religiöser Vielfalt in der schulischen Religionspädagogik basiert (in Auswahl) auf literarisch dokumentierten bisherigen Konzepten.1 Interreligiöse Lehr-Lern-Prozesse werden in Deutschland intensiver seit gut 20 Jahren diskutiert: Ging es anfangs verstärkt um die Frage der Option authentischer Begegnungen im Religionsunterricht überhaupt (vgl. Sajak 2018, 24f.), so hat sich der Fokus insofern verschoben, als dass es seit mehreren Jahren kaum noch Schulformen in Deutschland gibt, die nicht durch eine religiöse Pluralität auch der Lerngruppen geprägt sind, aus der heraus sich authentisch-interreligiöse Begegnungen gewissermaßen automatisch ergeben. So ist die religiöse Pluralität vor Ort längst auch an Gymnasien angekommen, die früher gegenüber den schon länger religiös heterogenen Lerngruppen in Grund-, Haupt und Realschulen oder in berufsbildenden Schulen noch weitgehend religionshomogene Lerngruppen bildeten und deren Religionsunterricht fast ausschließlich in homogenen evangelischen und katholischen Lerngruppen erteilt wurde.2 Dieser Befund hat die Situation des interreligiösen Lernens nachhaltig verändert, sofern mit der durchgängigen Option authentischer Begegnungen in Lerngruppen nun auch der Dialog intensiver operationalisiert werden kann und zugleich diese Intensität seiner Operationalisierung als Kriterium dient für die Bewertung von interreligiösen Lehr-Lern-Prozessen. Das bedeutet für die hiesige Darstellung: Das Ziel dieses Beitrags ist eine kriteriengeleitete systematische Beschreibung und Charakterisierung von Entwicklungen innerhalb der Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum unter der Fragestellung, inwieweit die einzelnen Konzeptionen einen religionspädagogischen Lehr-Lern-Prozess vorsehen, in dem eine authentisch-dialogische Begegnung von Vertreter*innen der Religionsgemeinschaften eröffnet wird, die zugleich theologisch wie auch pädagogisch die Option einschließt bzw. zu einer im Lernprozess vorgesehenen selbstreflexiven Metakognitionen aktiviert, sodass ein Reflexionsprozess in Gang kommt, der auch Veränderungen im eigenen religiösen Selbstverständnis der Lernenden inkludiert.

1 Entsprechende Darstellungen finden sich bei Schambeck 2013, 58-110, bei Schweitzer, Interreligiöse Bildung 45-125 oder neuer bei Sajak, Interreligiöses Lernen 23-33.

2 So bewerben sich z.B. beim NRW-Schulversuch „Talentschulen“ (https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulentwicklung/Talentschulen/index.html), durch den Schulen mit besonderen auch durch Migrationsprozesse hervorgerufenen sozialen Herausforderungen (wozu auch die religiöse Vielfalt zählt) unterstützt werden sollen, von drei Wuppertaler Schulen zwei Gymnasien – darunter das einzige altsprachliche Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium –, was zeigt, dass auch Gymnasien in besonderer Weise durch einen überdurchschnittlichen Anteil von Schüler*innen mit Migrationsgeschichte herausgefordert sind (vgl. hierzu auch die Westdeutsche Zeitung vom 19.12.2018, 20).

Im Blick auf die vor diesem Hintergrund darzustellenden Konzeptionen gilt es zunächst kurz die leitenden Kriterien darzulegen, nach denen eine die religiöse Vielfalt aufnehmende Religionspädagogik hier charakterisiert werden soll: Wegweisend sind die Begriffe ´Interreligiöses Lernen´ und ´Dialog´ sowie eine konfessionelle Offenheit gegenüber fremden Religionsgemeinschaften.
Die religiöse Vielfalt in der Religionspädagogik wird heute unter dem Gesichtspunkt der Pluralität der Religionen in unserer Gesellschaft wie auch in den Lerngruppen des Religionsunterrichts (1.) – sachlich angemessen und unstrittig – mit dem Begriff des „Interreligiösen Lernens“ verbunden. Interreligiosität rekurriert hier auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und bezieht sich auf die hiesige religiöse und weltanschauliche Pluralität. Das heißt: Das Stichwort „interreligiös“ beschreibt primär den Kontext des Lernens und stellt im Blick auf menschliche Lernprozesse selbst kein spezifisches Parameter dar, das neue oder veränderte Weisen des eigentlichen Lern- und Memorierprozesses an sich evozieren oder bedingen würde: Das Lernverständnis und der Lernbegriff werden zwar in interreligiösen Kontexten mit spezifischen Inhalten, Fragen, Problemen und Settings konfrontiert und herausgefordert, bleiben als anthropologische Gegebenheit jedoch an sich unberührt von den je-weiligen Kontexten. Die Antwort auf die Frage nach den leitenden Kriterien für das Wesen „interreligiösen Lernens“ muss also im Feld der Interreligiosität gefunden wer-den: Der interreligiöse Kontext selbst, interreligiöse Lernsettings, interreligiöse Fragestellungen sowie transreligiöse Phänomene sind es demnach, die Lernprozesse erst und alleine zu interreligiösen Lernprozessen machen.

Eine religiöse Vielfalt in der Religionspädagogik setzt (2.) die Existenz mehrerer – mindestens zwei – Religionen oder Religionsgemeinschaften voraus. Vertreter*innen dieser Religionen treten konstitutiv in einen wie auch immer gearteten Austausch und führen damit einen Dialog: Der „Dialog als solcher“ ist damit neben dem Kontext der „Interreligiosität“ hier das zweite leitende Kriterium, mit dem interreligiöse Lehr-Lern-Prozesse charakterisiert und bestimmt werden sollen. Im Folgenden werden mögliche Formen eines dialogischen Lernens in religiöser Vielfalt skizziert, die je eine eigene Plausibilität besitzen, in der Folge ihrer Darstellung aber auch Formen eines interreligiösen Lernens in einer pädagogischen Dynamik aufzeigen, die auch eine wachsende pluralistisch-theologische Tiefe inkludieren und damit – nach der Meinung des Verfassers – zugleich eine höhere Intensität und einen höheren Grad interreligiösen Lernens beinhalten. Im Folgenden3 sollen fünf Begegnungsformen und die dabei implizierten Dialogverständnisse skizziert werden, die sich aus der Analyse der unterschiedlichen Dialogkonzepte in der Religionspädagogik ergeben. Die Charakterisierung kann als Orientierung für die Dialogverständnisse in der Religionspädagogik gelten, wobei es im realen Religionsunterricht Situationen geben kann, in denen eine distanzierte Beschäftigung mit einer religiösen Frage einer Fremdreligion pädagogisch gebotener ist als ein qualitativ stärker ausgeprägter Dialogstil. Für die Charakterisierung sind vier Kriterien leitend:4 (1.) die Beteiligung von authentischen Expert*innen und Insidern, (2.) der sachgemäße und offene Umgang mit Einstellungen und Wahrheiten, (3.) die ausgewogene und angemessene Wahrnehmung und Artikulation von Perspektivwechseln sowie (4.) die Anerkennung der Fremdheit des Anderen (inklusiv „seiner“ Wahrheit) mit der Bereitschaft der Arbeit am Selbstkonzept im Lichte des Anderen.

➢ Der Austausch – ausgehend von einer exklusiven Positionalität mit einer hohen (auch inneren) Distanz und einer nur indirekten Begegnung – erfolgte in der am ehesten als Religionenkunde zu bezeichnenden Weise bis in die 1970er Jahre hinein, als fremde Religionen allein durch eine mediale Vermittlung dargestellt wurden. Bei dieser Weise der Beschäftigung mit anderen Religionen geht es weniger um einen Perspektivwechsel angesichts einer fremden Religion als vielmehr um die rudimentäre Aneignung von Wissen über andere Religionen und deren fundamentalen Inhalte. Diese Beschäftigung funktioniert ohne eine direkte Begegnung mit anderen Religionen bzw. deren Vertreter*innen.
➢ Die reine Wissensvermittlung hinter sich lassend, wurde aus der theoretischen Beschäftigung durch unmittelbare Begegnungen mit einer anderen Religion eine erste dialogische Weise der Begegnung. Die Wahrnehmung von Vertreter*innen fremder Religionen führt zu Fragen (und Problemen), die dialogisch bearbeitet werden können, ohne dass persönliche Begegnungen konstitutiv vorzuhalten sind. Lösungen im Dialog werden hier durch offizielle Texte und Statements der jeweiligen Institutionen gesucht: So kann beispielsweise die Frage nach muslimischen Friedhöfen in Deutschland zu einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Is-lam führen, ohne dass christliche Dialogpartner unmittelbar betroffen sind oder sie eine persönliche Begegnung suchen. Der Dialog findet hier auf einer kognitiven Ebene statt, möglicherweise ereignet sich auch ein Perspektivwechsel, aber die eigene Positionalität und das Wagnis des wahrheitsbezogenen Positionswechsels bleiben hier außen vor.
➢ Eine im engeren Sinn zweite Begegnungsform liegt vor, wenn der Austausch und die Problemorientierung durch unmittelbare Begegnungen oder auch exemplarisch eingebrachte Stimmen (z.B. in Schulbüchern) aus dem alltäglichen oder institutionalisierten Zusammenleben heraus vorgesehen werden, was sich auf Grund der gesellschaftlichen Entwicklungen immer mehr anbot. Bei dieser Form des Dialogs als einem Lernen durch Expertenwissen wird zwar die vermeintlich neutrale Darstellung der anderen Religion abgelöst, aber die Problemlösung bleibt noch bestimmend für die Initiative zum Gespräch und den Inhalt des Dialogs.

➢ Fließend ist dann der Übergang zu einer dritten Form des Dialogs, bei der die Wahrnehmung der anderen Religion um ihrer selbst willen im Vordergrund steht. Obgleich hier noch Problemlösungen (auch mit präventiver Motivation) im Hintergrund stehen können, bildet nun die authentische Begegnung das Zentrum des Dialogs in seinen unterschiedlichen Ausprägungen (christlich-jüdisches Gespräch; christlich-islamische Foren; Abrahamitische Foren etc.) und entsprechend in religionspädagogischen Lehr-Lern-Arrangements. Ziel ist hier die möglichst unverstellte Wahrnehmung anderer Religionen in Lernprozessen aus dem Dialog heraus.
➢ Eine vierte Dialogform ist erreicht, wenn der Dialog von Vertreter*innen unterschiedlicher Religionen weder der Wissensvermittlung noch der Problemlösung dient, sondern Ausdruck eines religiösen Selbstverständnisses ist, das sich selbst konstitutiv nur im Austausch mit anderen religiös (er)finden möchte. Der Dialog erscheint hier als Form eines Findungsprozesses eines interreligiösen wie auch intrareligiösen Selbstverständnisses, das um seiner selbst willen konstitutiv und vorbehaltlos auf den anderen bezogen ist, um dialogisch erst das eigene religiöse Selbstkonzept zu entwickeln und immer wieder neu kritisch reflektieren zu können. Der graduelle Unterschied zu allen bisherigen Dialogformen ist hier die existentielle Bereitschaft sowie die religionstheologische Offenheit, die eigene religiöse Positionalität prozessgeleitet entwickeln zu wollen. Erst diese Ebene des Dialogs nimmt damit im Grunde ernst, dass der Dialog nach Martin Buber wie auch nach Emmanuel Levinas im Dialoggeschehen selbst erst das „ich“ wie vice versa das „du“ werden lässt.

Im Blick auf den Dialog in interreligiösen Kontexten gilt es analog wie oben schon zum „interreligiösen Lernen“ festzuhalten: Die Wirkung und Funktion eines Dialogs in interreligiösen Kontexten wird primär durch die Kontexte bestimmt und ist in seiner Intensität und Qualität von den äußeren (z.B. durch die Option authentischer Begegnungen) sowie inneren (z.B. die Bildung und Bereitschaft der einzelnen Dialogpartner) Gegebenheiten abhängig, sofern diese Gegebenheiten die Intensität des Dialogs und damit seine Wirkmächtigkeit beeinflussen. Der Dialog als reziproke Kommunikationsform im Sinne der Buber´schen Dialogverständnisses jedoch besteht unabhängig von den äußeren und inneren Gegebenheiten, in denen der Dialog geführt wird. Von daher gibt es kein spezifisch interreligiöses Dialogverständnis. Ein Dialog in interreligiösen Kontexten ist daraufhin zu beurteilen, ob und inwieweit der Dialog in den jeweiligen spezifischen Kontext zu seiner Wirkung kommt.

3 Vgl. hierzu ausführlicher Andreas Obermann, Wahrheiten der Religionen gemeinsam kommunizieren. Überlegungen aus der „Werkstatt Berufsschulreligionsunterricht“. In: Daniel Bauer / Thomas Klie / Martina Kumlehn / Andreas Obermann: Von semiotischen Bühnen und religiöser Vergewisserung. Religiöse Kommunikation und ihre Wahrheitsbedingungen. Festschrift für Michael Meyer-Blanck, Berlin/Münster 2020, 351-366.

4 Vgl. hierzu Christiane Tietz, Dialogkonzepte in der Komparativen Theologie, in: Bernhardt, Reinhold / Stosch von, Klaus (Hg.), Komparative Theologie. Interreligiöse Vergleiche als Weg der Religionstheologie, Zürich 2009, 317-322.

Die Anfänge der Diskussion um interreligiöser Lernprozesse werden intensiver zum Beginn der 1990er-Jahre und sind ohne spezifische religionspädagogische Note mit den Namen Hans Küng (1992) und Karl-Josef Kuschel (1994) sowie sachlich mit dem Projekt Weltethos verbunden. Religionspädagogisch brachten vor allem Hans-Georg Ziebertz das Thema auf katholischer und Wolfram Weiße, Horst Gloy sowie Thorsten Knauth auf evangelischer Seite in die religionspädagogische Diskussion ein: Nach Hans-Georg Ziebertz (1994, 8) ist die „monoreligiöse´ Orientierung im schulischen Unterricht an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gekommen“, sofern die kulturelle Heterogenität in der Gesellschaft – und insbesondere in der Schule – „geradezu nach einem gegenseitigen Austausch“ (Ziebertz 1991, 316) rufe. Schon früh thematisierte Ziebertz 1991 damit ausdrücklich die Notwendigkeit eines Dialogs der Religionen im Religionsunterricht, was für ihn auch die theologische Implikation zur Folge hatte, das Verhältnis der Religionen zu reflektieren: Ziebertz spricht hier vom notwendigen Wandel von einer christozentrischen hin zu einer stärker theozentrischen Theologie, da diese interreligiöse und dialogische Optionen eröffne: „Christen dürfen bekennen und bezeugen, daß Christus für sie einzigartig ist, aber sie brau-chen nicht anzunehmen, daß diese Einzigartigkeit als Ausschließlichkeit verstanden werden muß“ (Ziebertz 1991, 322; Kursivierungen im Original). Entsprechend plädiert Ziebertz für ein selbstreflexives Dialogverständnis, sofern „ein Dialog zwischen Gesprächspartnern immer auch einen Dialog mit sich selbst impliziert“ (Ziebertz 1991, 326). Ziebertz nimmt ausdrücklich die Wirksamkeit des Dialogs in den Blick und will diese auch für das interreligiöse Lernen im Religionsunterricht gewährt sehen: Es gibt „eine sozialisatorische Kraft des interreligiösen Lernens […], weil der Dialog ein Handeln in Gang setzt, die Erfahrungen innerlich zu rekonstruieren, die durch christli-che oder andere religiöse Traditionen hervorgebracht werden. Der interreligiöse Dialog ist immer zugleich auch ein intrareligiöser Dialog mit sich selbst“ (Ziebertz 1991, 326; Kursivierungen im Original). Ziebertz betonte damit sehr früh eine pluralistisch-theozentrische Offenheit und eine didaktisch einzuholende Wirkmächtigkeit des Dialogisierens als wesentliche Aspekte für eine der Gegenwart verpflichteten Religionspädagogik.

In seiner 1993 erschienenen Dissertation „Dialog mit pädagogischen Konsequenzen? Perspektiven der Begegnung von Christentum und Islam für die schulische Arbeit“ widmet sich Werner Haußmann ausführlich dem Dialog als Kommunikationsform des interreligiösen Lernens (Haußmann 1993, 64-123). Im Blick auf die Frage der konkurrierenden Absolutheitsansprüche der Religionen hält Haußmann wegweisend fest: „Die Alleininanspruchnahme einer letzten, absoluten Wahrheit läßt keinen fruchtbaren Dialog zustandekommen. […] Die dem Dialog angemessene Haltung gegenüber einer anderen Religion ist […] eine bedingte Absolutheit der eigenen Religion, was dem Dialogpartner die Angst vor Identitätsverlust nehmen kann“ (81). Weiterhin bedinge ein so offen verstandener Dialog „auch eine immer neue Wahrheitssuche in der eigenen Religion“ (ebd., 82). Der Dialog ist nicht zu haben „ohne Verständnis für die Wahrheit des anderen und erfordert daher ´gründliche geistige Mühe´“ (ebd., 82). Die profunden – und im Grunde schon sehr früh für interreligiöse Lernprozesse wegweisenden – Ausführungen gipfeln in einem Kriterienkatalog für den Dia-log, in dem Haußmann unter Nennung von 12 Stichworten den Dialog jeweils in einem Gegensatz charakterisiert (vgl. ebd. 107-111). Für unsere Fragestellung wesentlich sind zwei der 12 Gesichtspunkte, zum einen die „Konfessionalität: verwurzelte Offenheit – Rigorismus“ (ebd., 109): Gegenüber einem Absolutheitsanspruch plädiert Haußmann für eine Offenheit aus der eigenen Positionalität heraus. Zum anderen wäre hier die „Komplementarität: Bereicherungsbereitschaft – Veränderungsunwilligkeit“ (ebd., 110) zu nennen, wozu Haußmann ausführt, dass die „Bereitschaft gefordert [sei], sich durch gegenseitige Ergänzung verändern, im positiven Sinne berei-chern zu lassen. Der andere wird als komplementär zu sich selbst gesehen“ (ebd., 111). Haußmann legt hiermit schon früh Dialogprinzipien vor, die den qualitativ offenen Dialog als konstitutiv für das interreligiöse Lernen ausweisen, aber bislang leider zu wenig rezipiert und als Qualitätskriterium für den Dialog angewandt worden sind.

In dieser Linie vollzog sich dann in den 1990er Jahren die Umorientierung vom religiösen zum interreligiösen Lernen“ (so später 1998 Gottwald und Rickers in einem Buchtitel – siehe dazu weiter unten): 1994 erschien die EKD-Denkschrift „Identität und Verständigung“, in der es um die Bestimmung der spannungsvollen Beziehung und Ausbildung von religiöser Identität und inter- wie auch intrareligiöser Verständigung geht. Aufgenommen ist hier von der EKD deutlich der gesellschaftliche Wandel und die Herausforderung, in Zeiten einer abnehmenden religiösen Sozialisation das kirchliche Bildungsbemühen der religiösen Beheimatung zu stärken und dabei zugleich eine zunehmende religiöse Pluralität und Heterogenität zu berücksichtigen (vgl. EKD 1994, 56), was den Dialog mit dem Ziel gegenseitiger Verständigung mit sich bringt. So sehr die EKD Mitte der 1990er Jahre das Gespräch mit anderen Religionen in den Fokus nimmt und für den Religionsunterricht entfaltet, so sehr ist doch die Stärkung der konfessionellen Identität der evangelischen Schüler*innen – und damit eine binnenkirchliche Fokussierung – der wesentliche Impuls dieser Schrift und nicht ein offen authentischer Dialog nach Buber und Levinas, bei dem sich im Dialoggeschehen selbst erst das „ich“ wie vice versa das „du“ entwickeln (der Dialog im Sinne der EKD sucht alleine die Verständigung über Sachfragen). Entsprechend schlägt die EKD als konkrete Realisierung eines solchen auf Identität und Verständigung ausgelegten Religionsunterrichts eine Fächergruppe vor (vgl. EKD 1994, 73ff.), in der eben nicht der Dialog an erster Stelle steht, sondern parallel organisierte eigenständige Fächer, die in der Fächergruppe je nach Bedarf verbunden und vernetzt werden können.

Einen Schritt weiter geht der katholische Religionspädagoge Stephan Leimgruber, der in seiner 1995 erschienenen Monographie „Interreligiöses Lernen“ den Dialog – u.a. entwickelt nach Buber und Levinas – an exponierter Stelle als „Element[e] einer Didaktik der Religionen“ (1995, 5, 39 u.ö.) bezeichnet: Diese Didaktik, deren Ziel ein gegenseitiges Verstehen und ein – bei allen Differenzen – gegenseitiger Respekt (vgl. 67) ist, „geht von der multikulturellen, religiös-pluralen, gesamtgesellschaftlichen Situation aus und lädt dazu ein, Begegnungs- und Dialogerfahrungen mit Angehörigen anderer Religionen aus dem Glauben heraus zu verstehen. […] Sie beachtet sowohl die objektive wie die existentielle Hierarchie der Wahrheiten und schätzt den ´Dialog des Lebens´ höher ein als den ´Dialog der Worte´“ (1995, 67/68; Kursivierungen im Original; vgl. auch 2007, 42,47 u.ö.). In seinem Ausblick wird nochmals sehr deutlich, dass die dialogischen Begegnungen für Leimgruber konstitutiv sind, sofern er von einer „Entgrenzung der Horizonte“ (1995, 130 u.ö.) spricht, durch die es im Dialog auch zu einem anderen und neuen (besseren, vgl. 134f.) Verstehen der eigenen religiösen Positionalität kommt. Leimgruber ist damit der erste Religionspädagoge, der den Dialog als konstitutive Mitte interreligiösen Lernens beschreibt und optional festhält, dass sich alle Partner im Dialog verändern können bzw. nur dann ein Dialog in der Tiefe seiner Wirkfähigkeit stattfindet. In der Neuauflage seines Werkes im Jahr 2007 bezeichnet er dann auch die Begegnung und den Dialog als den „Königsweg interreligiösen Lernens“ (vgl. Leimgruber 2007, 101-104).

Auf Grund seiner besonderen Umstände – eine seit langem heterogene und plurale Religiosität der Stadtgesellschaft sowie eine Vielzahl von katholischen Privatschulen, die den Bedarf an katholischem Religionsunterricht abgedeckt haben – bildete sich in Hamburg der „Religionsunterricht für alle“ (RUfa): Unter der Verantwortung und Federführung der evangelischen Kirche wurde der evangelische Religionsunterricht prinzipiell für alle Schüler*innen unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit geöffnet. Mit anderen Religionsgemeinschaften gemeinsam erarbeitete Lehrpläne machten diesen Religionsunterricht zu einem im wahrsten Sinne des Wortes dialogischen Unterricht, sofern der Religionsunterricht zwar unter evangelischer Verantwortung im Klassenverband stattfand, aber dort durch Unterrichtsgänge, Besuche und religionsfremde Lehrkräfte ein authentischer Dialog in der Lerngruppe in interreligiöser Weite organisiert wurde. Namentlich stehen für diesen – spezifisch lokalen Voraussetzungen – religionspädagogischen Ansatz, der allgemein auch „Hamburger Modell“ genannt wird, Wolfram Weiße, Horst Gloy, Folkert Doedens und Thorsten Knauth (vgl. hierzu auch die Literaturliste). Beispielhaft soll an dieser Stelle Thorsten Knauth beigezogen werden, der sich programmatisch mit der Bedeutung des Dialogs (von Buber ausgehend und die Theologie der Religionen einschließend) für einen zukunftsfähigen Religionsunterricht in Deutschland – vor dem Hintergrund der Hamburger Konzeption – beschäftigt hat. Dabei geht es ihm um einen Religionsunterricht, „der das Lernen am Gegenstand Religion für alle Schülerinnen und Schüler ungeachtet ihrer religiösen und kulturellen Herkunft als eine sinnvolle Möglichkeit zur Entwicklung von Handlungsoptionen und Lebensperspektiven“ (Knauth 1996, 1/2) anbietet. Knauth kommt es auf einen Wandel des bisherigen konfessionellen Religionsunterrichts hin zu einem dialogorientierten Religionsunterricht im Klassenverband an, der konstitutiv interreligiöse und interkulturelle Lernprozesse in der Schule eröffnet (vgl. Knauth 1996, 2). Im Blick auf die Wertigkeit des Dialogs und die pädagogische Fokussierung, dass dialogische Lernprozesse bei allen Dialogteilnehmer*innen auch religiöse Erkenntnis- und Einstellungsprozesse bewirken können und sollen, vertreten das „Hamburger Modell“ bzw. seine Protagonist*innen sowohl in der Praxis wie auch in der Theorie das weiteste Dialogverständnis: dialogisches Lernen bei vorausgesetzter Anerkennung aller religiösen Wahrheitsansprüche als authentische Wahrheitssuche.

Auf evangelischer Seite gibt es eine Reihe von Publikationen zum Ende des letzten Jahrhunderts5, die die Vielfalt der Religionen für den Religionsunterricht reflektieren. Der Publikationszeitpunkt zeigt an, dass die Frage der religiösen Vielfalt zuvor, das heißt in den 1990er Jahren, wahrgenommen, diskutiert und schließlich schriftlich fixiert wurde: Was waren die Prägemomente, dass diese Diskussion in diesem Zeitraum begann? Ein Impuls war mit Sicherheit die sogenannte Wiedervereinigung, sofern in Folge dieser zum einen die religiös-weltanschauliche Heterogenität in Deutschland durch den hohen Anteil der Konfessionslosen aus der ehemaligen DDR – wahrnehmbar für die gesamte Republik – rapide zunahm, was dann insbesondere für die „alten“ Bundesländer eine neue Dimension war. Zum anderen wurde in Folge der Wiedervereinigung der Religionsunterricht und seine zukünftige juristische wie auch pädagogische Gestaltung neu diskutiert, wobei die Entwicklung der religiösen Sozialisation seit den 1950er Jahren an auch eine Rolle spielte: denn die beiden großen Kirchen waren schon lange nicht mehr alleine die einzigen gesellschaftsrelevanten Institutionen, was die religiöse Bildung in Deutschland anging.

Einen Meilenstein stellt dabei das voluminöse zweibändige Werk „Bildung in einer pluralen Welt“ von Karl-Ernst Nipkow (1998) dar, in dem er in seinem ersten Band den religiösen, wertebezogenen, gesellschaftlichen und politischen Pluralismus erörtert. Im zweiten Band entfaltet Nipkow in bildungstheoretischer, verfassungsrechtlicher und religionssoziologischer Perspektive weitsichtig eine Vielzahl jener Fragekomplexe und unterrichtlichen Optionen, die seit dieser Zeit tatsächlich immer wieder diskutiert wurden, z.B. religionspädagogische Konzepte im ökumenischen, christlich-jüdischen und christlich-muslimischen Gespräch oder Modelle wie den Hamburger „Religionsunterricht für alle“ (1998, Bd. II 479-486). Wenn auch Nipkow nicht direkt das Dialogverständnis eines Religionsunterrichts in der Pluralität diskutiert und erörtert, widmet er sich doch dezidiert den theologischen Grundlagen und Voraussetzungen eines dialogischen Religionsunterrichts, sofern er den Religionsunterricht in Deutschland in Beziehung setzt zu religionstheologischen Ansätzen, d.h. nach seiner Sicht zu religionstheologischen Konstrukten, die er kritisch theologisch und religionspädagogisch analysiert und bewertet (siehe bes. 1998 Kp. 12 Bd. II, 495-539): Nipkow liegt es am Herzen, dass religiöse Bildung in der Pluralität sich in der Begegnung vollzieht und dabei theologische Dimensionen – auch die Dimension theologischer Wahrheit – nicht ausklammert. Nipkow schwebt im Religionsunterricht eine Begegnung der Religionen vor, in der sie sich in „analoger Selbstbegrenzung“ (a.a.O. 1998, 517) darstellen und sich nahekommen: „Das pädagogische Prinzip der ´Nähe´ in konkreten ´Begegnungen´ hat axiomatische pädagogische Bedeutung. In der Schule lernen die Kinder und Jugendlichen am eindrücklichsten, wenn sie ähnliche Lebensfragen haben und unbeschadet der unterschiedlichen Antworten der Konfessionen und Religionen einander verstehen, mithin die Pluralität nicht >glattgebügelt< wird. Pluralität ist als Differenz auszuhalten“ (517; Kursivierung im Original). Religiöse Vielfalt sollte nach Nipkow also nicht alleine in ethischer Weise im Religionsunterricht thematisiert werden, sondern auch die theologischen Differenzen kommunizieren. Inwieweit in der Begegnung bei Nipkow die Option gesehen wird, dass sich in der Begegnung – im Dialog – die eigene theologische Selbsteinschätzung und Selbstkonstruktion ändern kann und darf (so hatten wir oben die 5. Form des Dialogverständnisses markiert), bleibt bei Nipkow offen, weil er den Dialog als eigenes Thema weder in der Theorie noch in seiner religionspädagogischen Funktion im Religionsunterricht erörtert. Uneingeschränkt wegweisend bleiben Nipkows Ausführungen für unsere Frage dennoch, weil er wie kein anderer Religionspädagoge vor ihm (und lange nach ihm!) die Bedeutung der Religionstheologie für die Religionspädagogik entfaltet. Ob sein eigenes Urteil, nämlich letztlich die Ablehnung der Relevanz der Religionstheologie wegen ihrer Ethiklastigkeit in ihrem Metasystem, religionstheologisch haltbar ist, wird an anderer Stelle zu diskutieren sein.

Neben Nipkow war es in dieser Zeit vor allem Johannes Lähnemann (und Mitarbeiter*innen seines Lehrstuhls), der die religiöse Vielfalt als interreligiöses Lernen auf evangelischer Seite thematisierte und seine ersten Ergebnisse 1998 in der Studie „Evangelische Religionspädagogik in interreligiöser Perspektive“ vorgelegt hat. Lähnemann geht dabei systematisierend anhand der von Wolfgang Klafki eingebrachten Schlüsselprobleme vor (vgl. Lähnemann 1998 289f.) und weitet die Problemorientierung interreligiös. Lähnemanns Ausführungen bleiben dabei einer christlichen Religionspädagogik verpflichtet, sofern er zum einen vom Evangelium her Orientierungsperspektiven in pluralen Kontexten aufzeigt (Kp. 4) und zum anderen schul- und altersspezifische Lernoptionen in „Lebenszusammenhängen des Glaubens“ erläutert. Insgesamt sind Lähnemanns Erörterungen – zeitbedingt – noch geprägt durch allgemeine Plausibilisierungsdiskurse, z.B. die Relevanz interreligiöser Lernprozesse auf Grund der religiösen Heterogenität von Lerngruppen (vgl. 1998 z.B. 331ff.). Der Dialog – Lähnemann spricht in diesem Zusammenhang auch von Begegnungssituationen – als Form unterrichtlicher Kommunikation ist für Lähnemann als Grundstruktur interreligiösen Lernens bedeutsam (z.B. in einem Unterrichtsentwurf von Werner Haußmann, 352f.) und wird besonders im Blick auf die „Erörterung des Spannungsfeldes von Wahrheitsanspruch und Toleranz“ (ebd. 1998, 385) thematisiert. Es zeichnet das Werk Lähnemanns aus, dass er den Dialog sucht mit bisherigen Vertreter*innen von Wegen religiösen Lernens in der Vielfalt und diese darstellend miteinander in den Dialog bringt. Wenn auch bei ihm der Dialog als Weg der Wissensvermittlung und des Kennenlernens – zeitgeschichtlich bedingt sehr verständlich – fungiert, stellt der Schlusssatz seines Werkes die zukünftige Bedeutung des Dialogs eindrucksvoll heraus: Als „Anwälte des Evangeliums“ für ihre Schüler*innen können die Religionslehrer*innen, denen eine „Schlüsselstellung für eine Evangelische Religionspädago-gik im Kontext lebender Religionen“ zukommt, „offen sein für Begegnung und Dialog mit Menschen und Traditionen anderen Herkommens, deren Präsenz in unserem Bildungssystem ausdrücklich zu begrüßen ist“ (ebd. 1998, 440). Die Weite des interreligiösen Lernen wird auch in Lähnemanns Lebenserinnerungen (2017) greifbar, wenn er sein interreligiöses Engagement im „Zusammenleben mit der ganzen uns anvertrauten Welt“ (2017, 291) entfaltet.

Auf universitärer Ebene ist weiterhin Folkert Rickers – und die mit seinem Namen verbundene ,,Arbeitsstelle interreligiöses Lernen“ (AiL) der Universität Duisburg (heute Duisburg-Essen) – zu nennen, der sich auch schon Ende des letzten Jahrhunderts mit interreligiösen Lernprozessen im Religionsunterricht beschäftigte: Ausgehend von einer Problemorientierung (vgl. z.B. Rickers 1998 135ff. und 2002 insgesamt) steht bei Rickers insbesondere die authentische Begegnung in der Praxis zentral und konstitutiv im Mittelpunkt (so Rickers 1998 120), um in Zeiten der Globalisierung die dadurch anstehenden Probleme gemeinsam, d.h. interreligiös erörtern und lösen zu können. Wie schon erwähnt liegt bei Rickers der Fokus des interreligiösen Lernens als Form des interreligiösen Dialogs nicht allein in theologischen und existentiellen Klärungsprozessen, sondern primär im ethischen Bereich. Interessant zu erwähnen ist eine immer wieder erwähnte (und bis heute geführte) Diskussion aus dieser Zeit, ob bzw. inwiefern nämlich authentische Begegnungen von Schüler*innen unterschiedlicher Religionen im Unterricht zum einen konstitutiv und zum anderen überhaupt operationalisierbar seien (paradigmatisch für diese Diskussion ist ein Beitrag von Bernhard Dressler, der pointiert anfragt, ob das zu dieser Zeit sich entwickelnde ´lnterreligiöse Lernen´ auf Grund seiner Problemorientierung nicht „Alter Wein in neuen Schläuchen?“ sei und zudem die Voraussetzung einer authentischen Begegnung nicht durch den „Mythos der Authentizität“ (Dressler 2003, 117; vgl. insgesamt ebd.) belastet sei (aufgenommen ist diese Diskussion jüngst bei Sajak 2018, 25). Neben der theoretischen Frage dürfte der Hintergrund dieser Diskussion sein, dass zu diesem Zeitpunkt multireligiöse Lerngruppen, die die Infragestellung von authentischen Dialogoptionen für die Praxis als unrelevant erwiesen hätte, bis auf berufliche Schulen nicht flächendeckend vorhanden waren. Die heutige Situation in Schulen weist dem Dialog als innerschulischer Kommunikationsform eine bedeutende Rolle und Funktion bei interreligiösen Lernprozessen zu (weshalb auch das Urteil von Schweitzer (2014, 142) sachlich verwundert, dass nämlich authentische außerschulische Begegnungen für den Unterricht beigezogen werden könnten und nicht erst (künstlich) in der Schule herbeigeführt werden müssten).

5 Mit dem Phänomen des Pluralismus beschäftigt sich 1997 Reinhard Wunderlich, jedoch ohne eine pluralistische ´Theologie der Religionen´ im Sinne einer Ökumene der Religionen zu thematisieren bzw. einen dialogischen Religionsunterricht zu entfalten: Ziel seiner Arbeit „Pluralität als religionspädagogische Herausforderung […]“, 1997, ist es, die – christliche – religionspädagogische Theoriebildung daraufhin zu reflektieren und zu prüfen, ob und inwieweit sie das Phänomen der Pluralität wahrgenommen und konzeptionell integriert hat (vgl. Wunderlich a.a.O. 17). Dabei sieht er die Pluralität nicht nur – als ein zu akzeptierendes Übel – als Herausforderung, sondern als Chance, die es in der „christlich-religiöse[n] Erziehung charmant zu praktizieren“ (Wunderlich a.a.O. 43.) gilt. Wunderlich sieht den christlichen Religionsunterricht primär unter dem Aspekt der Erziehung (vgl. dazu insgesamt vor allem a.a.O. 379-386). Insgesamt kommt er zu dem Ergebnis, dass sich ein christlicher Religionsunterricht – dessen Berechtigung und bleibende Gültigkeit Wunderlich nicht zugunsten eines interreligiösen Religionsunterrichtes in Frage stellt – in einem Kontext der Pluralität entfalten könne und solle: „Durch Selbstbegrenzung an der Fülle des Lebens partizipieren – mit dieser programmatischen Grundvision bleibt Pluralität nicht mehr eine problemgeladene religionspädagogische Herausforderung, sondern wird zur echten Chance eines erziehenden und charmanten christlichen Religionsunterrichts an der öffentlichen Schule“ (Wunderlich a.a.O. 391; Kursivierungen im Original; vgl. zu Wunderlich schon Obermann 2006, 210f.).

Für den berufsbildenden Bereich, in dem der Religionsunterricht im Klassenverband vornehmlich im „Dualen System“ schon seit Jahren selbstverständlich und fast normal ist, hat 1996 Andreas Obermann ein dialogisches Konzept für einen Religionsunterricht „zwischen Kirchturm und Minarett“ vorgeschlagen: Interreligiöses Lernen wurde hier als religiöse Bildung im Klassenverband entfaltet, in dem im Idealfall auch auf Seiten der Lehrkräfte die verschiedenen Religionsgemeinschaften vertreten sein sollten, um einen umfassenden Dialog auf Augenhöhe operationalisieren zu können. Denn erst ein solches Team-Teaching eröffnet die Option, dass nicht nur alle Schüler*innen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten jeweils „ihre“ Bezugsperson auf der Lehrkraftseite finden, in deren Positionalität sie ihre je eigene religiöse Sozialisation entdecken und/oder sichern können. Darüber hinaus eröffnet das Team-Teaching erst einen – im Buber´schen Sinne – wahrhaften Dialog auf Augenhöhe, d.h. einen Dialog ohne hierarchisches Gefälle (was eben auftritt, wenn eine Lehrkraft alleine im Klassenverband auch ihr fremde Religionen unterrichtlich vertreten muss). Sofern ein Team-Teaching im wahrsten Sinne des Wortes utopisch sein und bleiben wird, hat der Autor auch eine modifizierte Form der EKD-Fächergruppe vorgeschlagen als organisatorisch realistisches Modell, in dem sowohl religionsidentische wie auch interreligiöse Phasen des Religionsunterrichts nach GG 7,3 vorstellbar sein würden, um möglichst wirksame Dialoge zwischen den Schüler*innen für deren religiöse Identitätsbildung ermöglichen zu können.

Im Jahr 2009 veröffentlichte die „Arbeitsgemeinschaft Religion & Integration“ (ARI)6 in enger Vernetzung mit den Überlegungen zum interreligiösen Lernen in Hamburg für NRW einen „Appell zur Diskussion um die Ausgestaltung der Kooperation zwischen den Fächern der religiösen und ethischen Bildung in den Schulen Nordrhein-Westfalens.“ Dieser Appell, damals eine bedeutende Wegmarke von Engagierten zum Interreligiösen Lernen in NRW und darüber hinaus, hatte das Anliegen und Ziel, „die zunehmende Vielfalt in der Gesellschaft angemessen in die schulische Bildung einzubeziehen und die gemeinsame Verantwortung der Religionsgemeinschaften und der Schulaufsicht für die religiöse Bildung und Werteerziehung aller Schülerinnen und Schüler zu stärken“ (ARI-Appell). Zudem sollten auch „kleineren Religionsgemeinschaften auf der Grundlage der Verfassung die Mitwirkung an der schulischen Bildung nach den Grundsätzen ihres jeweiligen Bekenntnisses“ ermöglicht werden, um in gemeinsamer Verantwortung „die religiöse Bildung und Werteerziehung der jungen Menschen in der Vielfalt der Bekenntnisse zu stärken“ (ARI-Appell), was durch eine „systematische Weiterentwicklung der ´Fächergruppe religiöse und philosophisch-ethische Bildung´ in den öffentlichen Schulen geschehen“ sollte. Dieser bedauerlicherweise nur wenig rezipierte Appell7 hat seine bleibende Bedeutung zum einen darin, dass in ihm vorausschauend die religiöse zusammen mit der philosophischen Bildung gesehen wird und der dialogische Charakter des Religionsunterrichts pointiert eingefordert wird.8 Des weiteren zeigt der Appell durch seine Unterzeichner*innen, die aus den Bereichen Wissenschaft, Schule und Regierung kommen, wie breit der Konsens unter Religionspädagog*innen fortgeschritten ist, alleine einen konsequent dialogischen Religionsunterricht als für die Zukunft angemessenen zu erachten.

In den 2010er-Jahre entwickelte sich der „Religionsunterricht für alle“ weiter, als der Stadtstaat Hamburg Gespräche mit der Nordelbischen Kirche, den muslimischen Verbänden und der alevitischen Gemeinde führte, weil (1.) die Heterogenität der Gesellschaft weiter zugenommen hatte, (2.) nichtchristliche Religionsgemeinschaften analog zu den Kirchen einen eigenen Religionsunterricht anbieten und verantworten konnten sowie wollten und deshalb (3.) der RUfa unter evangelischer Verantwortung nicht mehr als zeitgemäß angesehen wurde: Wesentlich wurden drei Aspekte erarbeitet, die beim sogenannten „RUfa 2.0“ den dialogischen Charakter des Religionsunterricht weiterhin gewähren sollen, nämlich die Schwerpunktsetzung bei der „Entwicklung der individuellen Religiosität und Weltanschauungen“ der Schüler*innen, die Orientierung am Begriff der „Quellenorientierung“ an Stelle der bisherigen Traditionsorientierung sowie die Erweiterung der Dialogorientierung im Unterricht um religionsspezifisch Phasen (vgl. Kuhlmann 2017, 37). Durch die nun größere Zahl von Religionsgemeinschaften, die verantwortlich den einen RUfa 2.0 gestalten und durchführen wollen, ergeben sich – neben den zu klärenden juristischen und hoheitlichen Fragen – andere didaktische und organisatorische Fragen, deren Lösung nun schwieriger sind als zu den Zeiten, als der Religionsunterricht unter evangelischer Verantwortung geregelt werden konnte. Auch kommen nun andere Fragen, wie z.B. die Organisation von religionsspezifischen Phasen (s.o.), neu ins Blickfeld, deren Lösung auch immer in Wechselwirkung zur Dialogizität stehen. Jedenfalls dürften die Hamburger Lösungen für RUfa 2.0 in didaktischer wie auch organisatorischer Hinsicht – und damit auch im Blick auf die Dialogizität des Religionsunterrichts – eine Vorreiterrolle auch für Flächenländer in Deutschland bekommen. 

6 Quelle: https://www.uni-due.de/imperia/md/content/evangelischetheologie/knauth/ari-appell.pdf (abgerufen am 12.1.2019).

7 Ein Grund dafür kann auch in dem tragischen Tod der beiden mit hauptverantwortlichen Verfassern des Appells, Jörgen Nieland und Klaus Lefringhausen, liegen, was auch die Dynamik von ARI bedeutend schwächte.

8 „Das überkommene System religiöser und philosophischer Bildung in den Schulen genügt des-halb mehrheitlich nicht den Anforderungen, die heute und morgen an eine dialogfördernde und integrationswirksame religiöse und philosophische Bildung und Erziehung im öffentlichen Bildungssystem gestellt werden müssen“ (Seite 8). Weiter heißt es dort: Nur in der gemeinsamen Verantwortung können die Fächer allen Schülerinnen und Schülern eine religiöse Bildung vermitteln, die gleichermaßen konfessionelle Identität fördert und deren spannungsvolles Verhältnis zu religiöser und weltanschaulicher Vielfalt klärt. Nur in Auseinandersetzung mit dem spannungsvollen Verhältnis von Konfessionalität und Pluralität können die Schülerinnen und Schüler auch die erforderlichen Orientierungs- und Dialogkompetenzen erwerben, um sich bewusst konfessionell zu binden und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ (ARI-Appell 10). 

8 „Das überkommene System religiöser und philosophischer Bildung in den Schulen genügt des-halb mehrheitlich nicht den Anforderungen, die heute und morgen an eine dialogfördernde und integrationswirksame religiöse und philosophische Bildung und Erziehung im öffentlichen Bildungssystem gestellt werden müssen“ (Seite 8). Weiter heißt es dort: Nur in der gemeinsamen Verantwortung können die Fächer allen Schülerinnen und Schülern eine religiöse Bildung vermitteln, die gleichermaßen konfessionelle Identität fördert und deren spannungsvolles Verhältnis zu religiöser und weltanschaulicher Vielfalt klärt. Nur in Auseinandersetzung mit dem spannungsvollen Verhältnis von Konfessionalität und Pluralität können die Schülerinnen und Schüler auch die erforderlichen Orientierungs- und Dialogkompetenzen erwerben, um sich bewusst konfessionell zu binden und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ (ARI-Appell 10). 

K. Meyer, J. Willems, L. Graßal, M. Bernlochner

Ein weiterer bedeutender Protagonist interreligiösen Lernens ist Karlo Meyer, dessen Dissertation – „Zeugnisse fremder Religionen im Unterricht. ´Weltreligionen´ im deutschen und englischen Religionsunterricht“ (1999) – programmatisch seine Vision religiöser Bildung in der Vielfalt zum Ausdruck bringt: Wie sind „fremde religiöse Zeugnisse“ (Meyer 1999 12, u.ö.) im Religionsunterricht angemessen didaktisch und operational zu integrieren? Es geht Meyer also grundlegend in seinen theoretischen wie auch praktischen Arbeiten um die Frage, wie die unterschiedlichen Religionen angemessen authentisch in ´fremden´ Religionsunterrichten dargestellt und für die Schüler*innen ansprechend operationalisiert werden können. Es geht Meyer um die Darstellung der Wege, wie „fremde religiöse Traditionen in Deutschland und in England behandelt werden“ (Meyer 1999, 15). In Anlehnung an „Identität und Verständigung“ (EKD) sieht Meyer den deutschen Religionsunterricht angesiedelt zwischen dem Prinzip der konfessionellen Orientierung einerseits und des dialogischen Umgangs miteinander andererseits (vgl. Meyer 1999, 18). Wie der Titel der Dissertation schon anzeigt geht es Meyer – nach dem Vorbild religiöser Bildung in England – um ein Lernen anhand fremder Zeugnisse, wobei er die Weltreligionen insgesamt im Blick hat.9 Da eine umfassende Wahrnehmung einer fremden Religion nicht möglich ist und Meyer diese Grenze wahrnehmen will, ist ihm neben der individuellen Aufnahmefähigkeit seiner Schüler*innen auch die Fragmentarität jedes fremden Zeugnisses wichtig, weshalb Meyer, gewissermaßen als ein Signum seiner praktischen Arbeiten, jeweils mit echten oder fiktiven Zeugen eine Weltreligion darstellzustellen versucht und literarische Begegnungen mit den Schüler*innen erzeugen möchte (vgl. schon Meyer 1999 18f.; sichtbar wird das auch in den zahlreichen von Meyer veröffentlich-ten Praxisbänden). Von England lernend möchte Meyer erreichen, dass im deutschen Religionsunterricht die Schüler*innen „einen Sinn für religiöse Zeugnisse entwickeln können“ (Meyer 1999, 35). Durch die personale Präsentation fremder religiöser Zeugnisse will Meyer Begegnungen initiieren und zielt auf eine Dialogfähigkeit durch fremde Zeugnisse: „Ein offenes Gespräch mit einem religiösen Text, oder einem Vertreter der Religionen setzt m.E. zunächst nichts weiter voraus, als bereit zu sein, zuzuhören, zu dem Gespräch beizutragen und nach eigenen (!) Sicht- und Ausdrucksweisen zu suchen, um auf diese Weise, vielleicht nur mit Fragen, vielleicht auch mit vorläufigen Antworten zu einem Gespräch beizutragen. Gerade durch offene Gespräche können Schülerinnen und Schüler eigene Standpunkte gewinnen, sei es auch durch eine Anfrage. Meiner Ansicht wird nur so, vom Ausgang des eigenen Denkens, und nicht vom Ausgang des Denkens derer, die in einem ´System´ verwurzelt sind, ´Dialogfähigkeit´ eingeübt“ (Meyer 1999, 59/60; Kursivierungen im Original). Durch auch medial eingeführte fremde Positionen sucht Meyer Dialoge zu initiieren, die auch existentielle Dimensionen betreffen.10 In „Grundlagen interreligiösen Lernens“ (2019) vertieft Meyer dies grundlegend theoretisch durch die wegweisende Erarbeitung von vier „Modi der Religionenerschließung“ (2019, 162-267), durch die er die Komplexität interreligiösen Lernens erschließt und unterrichtlich im Blick auf das „Ambiguitätserleben“ (2019, 270 u.ö.) und den Perspektivenwechsel didaktisch entfaltet. Meyer sieht die Bedeutung des Dialogs als Basis interreligiösen Lernens nicht als konstitutiv an. Sein „engeres“ Verständnis interreligiösen Lernens geht vielmehr davon aus, in pädagogischen Prozessen durch religiöse „Zeugnisse“ Begegnungsräume zu eröffnen, durch die konstruktive Auseinandersetzungen initiiert und religiöse Kompetenzen weiterentwickelt werden können (so präzise 2019, 19/20; 65-72).


In seiner Habilitation aus dem Jahr 2011 „Interreligiöse Kompetenz. Theoretische Grundlagen – Konzeptualisierungen – Unterrichtsmethoden“ stehen bei Joachim Willems „Überschneidungssituationen“ als geeignete Lernsituationen interreligiösen Lernens im Mittelpunkt, in denen – um beim Beispiel Schule zu bleiben – Schüler*innen im religiösen Kontext mit fremden Inhalten, Riten, Formen o.ä. konfrontiert werden, die sie noch nicht kennen und wo sich dann eigene und fremde Komponenten überschneiden. Überschneidungssituationen sind das Proprium interreligiösen Lernens, „in denen unterschiedliche konfessionelle bzw. religiöse/religionskulturelle Perspektiven in Kontakt miteinander kommen“ (257). Die Idee der pluralistischen Theologie der Religionen greift Willems insofern auf, als dass er die Theorie Hicks der Sache nach aufgreift, jedoch konstruktivistisch weiterführt: Da aus dieser Perspektive letztlich über Gott keine verbindlichen Aussagen zu treffen sind, inkludiert dies die Option, dass Teilnehmer im interreligiösen Dialog bzw. in interreligiösen Lernprozessen natürlich auch Änderungen in ihrer eigenen religiösen Positionalität erfahren können.11 Weiterhin konzentriert sich Willems konsequent auf die Darlegung von Kompetenzen im Kontext interreligiöser Lernprozesse in der Pluralität in drei Perspektiven: einer individuellen, einer ´objektiven´ religionskulturellen und einer außerreligiösen (vgl. ausführlich Kapitel 7). In dieser Konzentration bleibt Willems seinem theoretischen Ansatz treu, weshalb seine Überlegungen zu methodischen Wegen interreligiösen Lernens nicht bei schulischen Erfahrungen einsetzen, sondern bei interreligiösen Trainingsmaßnahmen. Hier „werden vor allem Fallstudien (Analysen von interreligiös relevanten Fällen), religionskundliche Erkundungen und interreligiöse Lernprojekte“ (266/267) als geeignet identifiziert. Im Sinne unserer Deutung von Willems Anliegen im Blick auf den Dialog und seine Wirkoptionen schließt Willems seine Arbeit mit der zentralen Anforderung an den Religionsunterricht, der nämlich „die Bildung der ganzen Persönlichkeit ermöglichen und fördern soll“ (267).
Im Jahr 2013 kommt Lucas Graßal in seiner Dissertation – „Wie Religion(en) lehren? Religiöse Bildung in deutschen religionspädagogischen Konzeptionen im Licht der Pluralistischen Religionstheologie von John Hick“ – nach der Darstellung des Modells der konfessionellen Kooperation, von LER in Berlin-Brandenburg und des Hamburger Modells zu dem Schluss, dass eine „religionstheologische Grundbestimmung [vonnöten sei], die der vielfältigen Struktur der Religiosität ebenso gerecht wird wie dem Sachverhalt, dass die Religionsgemeinschaften nach wie vor als institutioneller Partner unverzichtbar sind und als Kristallisationspunkte des religiösen Diskurses angesehen werden können“ (Graßal 20113, 219). Vor dem Hintergrund des religionstheologischen Ansatzes von John Hick entwickelt Graßal ein Verständnis der Begriffe ´Identität´, ´Religion´ und ´Wahrheit´, die es ihm ermöglicht, diese Begriffe in Brechung in den Religionen wahrzunehmen und von da aus Perspektiven zu skizzieren, wie durch die pädagogische Reflexion dieser drei Leitbegriffe neue religiöse Gegenwartsdeutungen möglich sind bei einer gleichzeitigen „synkretistischen Erweiterung der Materialbasis“ (Graßal 2013, 353; der hier Dietrich Korsch zitiert), so dass sich hier für die Religionspädagogik Perspektiven interreligiösen Lernens ergeben: Dabei spielt auch der Dialog eine Rolle, wobei Graßal den Dialogcharakter nicht weiter im Blick auf praktische Vollzüge im Religionsunterricht entfaltet und von daher weitgehend in der religionstheologischen Theorie verhaftet bleibt.
Im Jahr 2013 erschien auch die Dissertation von Max Bernlochner „Interkulturell-interreligiöse Kompetenz. Positionen und Perspektiven interreligiösen Lernen im Blick auf den Islam“, in der er von der Verwobenheit interkultureller und interreligiöser Komponenten ausgehend Lernprozesse im christlich-islamischen Kontext12 entfaltet: Bernlochner stellt dabei heraus, dass beide Lernprozesse von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen: Während das interkulturelle Lernen von einer kontextuell bedingten Relativität ausgehen muss, setzt das interreligiöse Lernen beim „Un-Bedingten“ (2013, 160; vgl. hierzu 158-163) an. Diese Aufgliederung in zwei Lebensdimensionen müsse sich analog auch in der Feststellung zu erzielender Kompetenzen niederschlagen, woraus sich eine zukünftige Aufgabe ergebe, sollte sich diese doppelte Perspektive als plausibel erweisen (vgl. dazu auch Langenhorst 2016, 36).13 Obgleich das interkulturell-interreligiöse Lernen natürlich einen dialogischen Charakter aufweist, geht Bernlochner doch von einer dezidierten je eigenen Positionierung der Religionsgemeinschaften als Basis des Dialogs aus, so dass der Dialog ein Medium der Kommunikation ist und konstitutiv auch eine ethische Dimension (vgl. z.B. 2013, 308ff.) besitzt.14 

9 Vgl. hierzu auch unter Meyers zahlreichen Unterrichtsmaterialien „Weltreligionen: Kopiervorlagen für die Sekundarstufe I“ (Göttingen 2015), wo er alle Religionen behandelt (vgl. auch Karlo Meyer: Lea fragt Kazim nach Gott. Christlich – muslimische Begegnungen in den Klassen 2 bis 6, Göttingen 2006; oder: Fünf Freunde fragen Ben nach Gott. Begegnungen mit jüdischer Religion in den Klassen 5-7, Göttingen 2008).

10 Vgl. hierzu auch Karlo Meyer, Impulse zu existentiellen Fragen – durch fremde religiöse Traditionen. Ein hermeneutisch-pädagogisches Problem. In: Rainer Möller / Claus-Peter Sajak / Mouhanad Khorchide (Hg.): Kooperation im Religionsunterricht: Chancen und Grenzen interreligiösen Lernens. Beiträge aus evangelischer, katholischer und islamischer Perspektive, Münster 2017, 13-27, vgl. bes. 13).

11 Obgleich Willems den Dialog als Kommunikationsform nicht näher thematisiert, dürfte er in unserer Skala ein weitergehendes Dialogverständnis vertreten.

12 Bernlochners Blick auf den Islam ist verständlich vor dem Hintergrund seines Wirkens: Er ist seit Jahren – zum Teil hauptamtlich – im christlich-islamischen Dialog, konkret im Christlich-Islamischen-Forum der Akademie der Diözese Rottenburg, engagiert und beruflich im Ministerium für Integration in Baden-Württemberg tätig.
13 Anzufragen wäre an dieser Stelle, inwieweit nicht auch das interreligiöse Lernen aus einer religionstheologisch-pluralistischen Perspektive von einem relativen Standpunkt aus zu betreiben wäre (und nicht die Unbestimmbarkeit Gottes oder des Göttlichen letztlich die Gründung in einem jeweils von den Religionsgemeinschaften konkret bestimmten „Un-Bedingten“ verbietet). 14 Bernlochner ist gegenüber einer pluralistischen Sichtweise skeptisch: So betont er im Blick auf den inklusivistischen Ansatz von Nostra Aetate, dass exklusivistische Modelle in der Schulrealität eine Rolle spielen würden, weshalb sie auch in der Theorie bedacht werden müssten. Auch pluralistische Modelle geben für ihn keine hinreichenden Antworten auf die Frage, wie mit den exklusiven Ansprüchen der verschiedenen Religionen umgegangen werden könnte. Denn es reiche nicht, sie durch weitergehende Modelle gewissermaßen aushebeln zu wollen, da man sonst die Realität – und damit die reale Dialogebene – aus den Augen verlieren würde (vgl. dazu ausführlicher 123-147; ähnlich auch Langenhorst 2016, 65). Eine Lösung sieht Bernlochner ansatzweise am ehesten in der Komparativen Theologie (vgl. hierzu 124f.). 

Ebenfalls im Jahr 2013 veröffentlichte Mirjam Schambeck die Monographie „Interreligiöse Kompetenz. Basiswissen für Studium, Ausbildung und Beruf“, die weit über Kompetenzbestimmungen hinausweist, sondern im Grunde ein Lehrbuch interreligiö-sen Lernens ist: Die theologische und religionspädagogische Grundfrage, die sich ih-rem damaligen (und noch aktuellen) Forschungsstand nach stellt, ist die Frage „nach den Religionen, deren Zueinander und schließlich die Frage nach Differenz.“ Es müsse ein „Differenzdenken entwickelt werden […], das sowohl eine Verhältnisbestimmung von Christentum und anderen Religionen erlaubt als auch die Wahrheitsfrage einbezieht“ (Schambeck 2013, 109). Schambeck schlägt als Lösung ein theologisches Differenzmodell vor, das sie mit „Liebe als Grund von Eigenem und Fremden“ betitelt (Schambeck 2013, 111). Für die religionspädagogische Arbeit unter Berücksichtigung der Vielfalt der Religionen müsse nach Schambeck ein Weg gefunden werden, der „das Eigene und das Fremde in ihren Eigenansprüchen zur Geltung bringt und dennoch nicht der Gefahr erliegt, Eigenes auf Kosten des Fremden zu verstehen und umgekehrt, oder lediglich beides beziehungslos nebeneinander zu denken“ (Schambeck 2013, 111). Schambeck entfaltet auf dieser Basis ihr Differenzmodell, in dem die „Liebe als Inbegriff und Ausdruck Gottes selbst, als Inbegriff gelingender Beziehung und Begegnung“ im Mittelpunkt steht und der Schlüssel ist, um Begegnungen der Religionen ohne Verengungen (z.B. der „Versuchung“ einer universellen Hermeneutik zu Lasten einer partikularen Einbringung von Religion in einen Dialog) zu führen und neue „Sicht und Lebensweisen zu begründen“ (Schambeck 2013, 112). Ausgehend von trinitätstheologischen Überlegungen Karl Rahners, sofern es nämlich Gott selbst ist, „der in sich einen Unterschied begründet“ (Schambeck 2013, 125), entfaltet Schambeck ein Differenzmodell, nach dem Eigenes und Anderes nicht „mehr als totale Differenz zu sehen“ seien, sondern dass das Andere im „Eigenen gegeben [ist], wie sich auch das Eigene im anderen wiederfindet“ (ebd.). Diese Differenzüberlegungen verknüpft mit der Liebe ergeben nun das Schambeck´sche Modell, das zwischen dem Buber´schen Dialogverständnis und Levinas´ Andersheit des Anderen angesiedelt ist, sofern im „hermeneutischen Modell ´Die Liebe als Grund von Eigenem und Fremdem´ […] der andere vielmehr umso mehr in sein anderes gesetzt [wird], als er geliebt wird. Und auch das Eigene kommt umso mehr zu seiner Existenz, als es liebt“ (Schambeck 2013, 132). Insgesamt sieht Schambeck den Gewinn ihres Differenzmodells für den Dialog der Religionen in fünf Aspekten gegeben, sofern nämlich ihr Modell (1.) hilft, „konkrete Kommunikationsregeln im Dialog der Religionen zu vereinbaren“ und zugleich auch Inhalte des Dialogs vorgibt, so dass (2.) Gestalt und Gehalt des Dialogs nicht voneinander getrennt werden und Partikulares nicht im Universalen aufgeht. Weiterhin eröffne das Modell (3.) die Option Ansatzpunkte des Dialogs zu finden, indem z.B. versucht wird, „die anderen Religionen vom eigenen Standpunkt her auszusagen“ und sich diese dabei „in ihren Standpunkten gewahrt wissen“ (Schambeck 2013, 156) oder dass Veränderungen wahrgenommen werden, die sich „durch den Prozess der Begegnung von eigenem und Fremdem ergeben“ (ebd.). Darüber hinaus motiviert das Modell (4.) zur Bereitschaft, „sich dem Fremden auszusetzen“ und „Eigenes im Angesicht des Fremden zu (er)leben.“ Das Modell mache insofern bewusst, „dass der Dialog der Religionen, die Auseinandersetzung über Wahrheitsansprüche sowie die Suche nach einer eigenen, verantworteten Position in Bezug auf Religion zuerst Interaktion von Menschen meint und letztlich auch gelingende Interaktionen anzielt.“ Damit wird (5.) die Liebe – d.h. der in der Liebe eröffnete Freiheitsraum des Anderen und des Eigenen – in ihrer beschriebenen Auswirkung selbst zum Kriterium eines gelingenden und gelungenen Dialogs. In dieser Linie entfaltet Schambeck im Anschluss interreligiöse und religionspädagogische Perspektiven, „wie Eigenes und Fremdes, wie die Wahrheit des Christentums angesichts der Wahrheitsansprüche anderer Religionen formuliert werden kann“ und „wie die Differenz von Eigenem und Fremdem so gedacht werden kann, dass Differenz positiv ausgesagt wird“ (Schambeck 2013, 157): Bildungsprozesse müssten so konzipiert sein, „das eigenes und Fremdes angemessen zum Tragen kommen“ (ebd.).

Das Schambeck´sche Modell ´Die Liebe als Grund von Eigenem und Fremdem´ stellt einen theologisch gegründeten Weg vor, wie die Vielfalt der Religionen in einem Religionsunterricht der Zukunft verantwortlich begründet und verantwortlich gestaltet werden kann. Wesentlich, auch für unsere Fragestellung, ist dabei der konstitutive Anspruch des Modells, die Begegnung der Religionen konsequent dialogisch zu verstehen bis hin zu der Bereitschaft und Offenheit, im Dialog, d.h. in der authentisch-liebevollen Begegnung, das bisherige Verstehen des Eigenen wie des Fremden kritisch zu prüfen und dann zu verifizieren oder aber gegebenenfalls auch neu zu bestimmen. Damit liegt hier ein Modell vor, das dem oben skizzierten Formen dialogischer Begegnung und dialogischen Lernens in seiner höchsten Form entspricht.

Im Jahr 2014 veröffentlichte die EKD die Nachfolgedenkschrift von „Identität und Verständigung“, nämlich „Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsun-terricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule“. Der Anlass zu einer Folge-denkschrift war zum einen der Fortgang der wissenschaftlichen Diskussion sowie zum anderen die Weiterentwicklung der deutschen Gesellschaft hin zu einer multikulturellen und multireligiösen. Entsprechend geht es der EKD nunmehr um eine „konfessionelle Bindung und dialogische Offenheit“ (EKD 2014, 45; vgl. 45-49). Dabei wird sehr deutlich, dass die EKD mitunter latent am Ziel der religiösen Beheimatung festhält („In der Theologie wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine gefestigte religiöse Identität die Voraussetzung für Dialogfähigkeit darstellt“ (ebd. 45)), sofern sie bei aller Verständigung „die Orientierung an Differenz“ (ebd. 44) betont, nunmehr die religionspädagogische Aufgabe von Identität und Verständigung als Prozess bezeichnet und das faktische Aufgeben der zeitlichen Vorrangstellung einer Herstellung von religiöser Beheimatung vor einem Dialog nicht pädagogisch, sondern als Tribut an die gesellschaftliche Entwicklung wertet (vgl. hierzu ebd. 2014, 45). Entsprechend folgelogisch bestimmt die EKD den Religionsunterricht – in der Spannung von Identität und Dialog – konsequent christologisch (vgl. bes. ebd. 46ff.) und gibt religionstheologischen Überlegungen eine klare Absage (vgl. ebd. bes. 49). Die Hauptintention der Denkschrift ist die Darlegung einer „Pluralitätsfähigkeit als Bildungsziel für Schule und Religionsunterricht“: „Das Bildungsziel der Pluralitätsfähigkeit als zeitgemäße Konkretion religiöser Orientierung nach evangelischem Verständnis bezieht sich so-wohl auf die Schule insgesamt als auch speziell auf den Religionsunterricht. In beiden Fällen geht es um die Stärkung von Gemeinsamkeit und zugleich um einen toleranten Umgang mit Differenz“ (je ebd., 54). Obgleich die EKD immer wieder von einer notwendigen „religiösen Dialogfähigkeit“ (vgl. ebd. z.B. 70, 72, 76; 45 oder 15 u.ö.) und von einer „dialogischen Kultur religiös-weltanschaulicher Vielfalt“ (ebd., 106; siehe 106-125) spricht, ist der Dialog hier als eine geeignete Form der Kommunikation zum besseren Kennenlernen und Verstehen verwandt, nicht aber als Prozess, der auch konstitutiv die eigene religiöse Positionalität zur Disposition stellt.

Ebenfalls erschien im Jahr 2014 von Friedrich Schweitzer die Monographie „Interreligiöse Bildung. Religiöse Vielfalt als religionspädagogische Herausforderung und Chance“, in der er bewusst von interreligiöser Bildung spricht, da die Relevanz der Klärung interreligiöser Fragen nicht hinter anderen Bildungszielen zurückstehen dürfe und der Bildungsbegriff inkludiere, „dass es bei Orientierungsaufgaben in interreligiöser Hinsicht immer auch um das eigene Selbst und dessen Bildung geht“ (Schweitzer 2014, 33; vgl. dazu insgesamt 33-36). Als Ziele interreligiöser Bildung nennt Schweitzer die Information über verschiedene Religionen (vgl. ebd. 56), die Förderung interreligiöser Anerkennung und Toleranz (vgl. ebd. 57f.), die Reflexion existentieller Fragen (vgl. 58ff.) sowie die Auseinandersetzung mit Wahrheitsfragen (vgl. ebd. 60). Interreligiöse Bildung ist nach Schweitzer „eine Dimension von Bildung, die sich auf die Wahrnehmung eigener und anderer Religionen und ihr Verhältnis zueinander be-zieht, die auf wechselseitigem Verstehen beruhende dialogische Einstellungen an-strebt und zu einem gesellschaftlichen Zusammenleben im Sinne von Frieden und Toleranz, Anerkennung des Anderen und Respekt voreinander befähigt“ (ebd.132). In Analogie zur EKD-Denkschrift aus dem gleichen Jahr betont Schweitzer die „Pluralitätsfähigkeit“ als ein wesentliches Bildungsziel (vgl. ebd. 129-141).15 Erörterungen zum Dialog und zu dessen Bedeutung für die interreligiöse Bildung finden sich bei Schweitzer nur am Rande. So kann er zwar sagen, das interreligiöse Bildung auf „dialogische Einstellungen im Blick auf die verschiedenen Religionen [beruhe], die mit Hilfe von Bildung oder Lernen durchgesetzt und befestigt werden sollen“ (ebd.132). Der Dialog bzw. das Dialogische in interreligiösen Lehr-Lernprozessen wird hier verstanden im Kontext bzw. im Dienst der Pluralitätsfähigkeit als Form der Kommunikation, die ein Wissen vermittelt, die Orientierung stärkt oder die Wahrnehmungsfähigkeit schult. Interreligiöse Bildung ist nach Schweitzer nicht als ein dialogischer Religi-onsunterricht zu verstehen, in dem der Prozess des Dialogs auch die eigene religiöse Positionalität in Frage stellen soll und als offene Entwicklung anzusehen ist, an deren Ende auch eigene Existentialien anders aussehen können als zu Beginn des Prozesses (während der Dialog bei Schweitzer Inhalte durchsetzen und befestigen soll, s.o.).16 Insgesamt ist hier der das ganze Werk ausmachende bildungstheoretische Ansatz Schweitzers erkennbar, sofern er interreligiöses Lernen im weiteren wie auch im engeren Sinn klassisch entfaltet im Rahmen der herkömmlichen religionspädagogischen Theoriebildung.17

Im Jahr 2015 erschien Mirjam Zimmermanns Studie „Interreligiöses Lernen narrativ. Feste in den Weltreligionen“, in der sie „narrative Formen interreligiösen Lernens“ (Zimmermann 2015, 9) vorstellen möchte: Das „Medium der Erzählung [wird hier] zum zentralen Ort des Lernens“ (ebd. 41). Ob allerdings die für das Judentum und das Christentum bedeutende Tradition des Erzählens, wie von Zimmermann profund dargestellt (vgl. ebd. 43-57), auch für den Islam und erst Recht für andere Religionen gleichermaßen gilt, ist fraglich und wird auch aus Zimmermanns Ausführungen nicht ersichtlich.18 Zimmermann konkretisiert ihr Konzept für die Jahrgangsstufen 5 und 6 anhand des Themas der Feste, womit die Tragweite des Narrativen als Weg interreligiösen Lernens auch hier eine Einschränkung bei Zimmermann selbst erfährt, sofern sie ihr Konzept beispielhaft anhand einer Unterrichtseinheit zu den Festen in den Religionen entfaltet: Im Blick auf unsere Frage nach der religionspädagogischen Wahr-nehmung von religiöser Vielfalt im Religionsunterricht ist für Zimmermann zu konstatieren, dass sie mit ihrem narrativen Zugang auf der einen Seite für ihre Jahrgangszielgruppe einen angemessenen Zugang interreligiösen Lernens wählt, der dort seine Berechtigung hat. Allerding bleibt dieser Ansatz in Zimmermanns Ausführun-gen letztlich sehr inhaltsbetont und wenig existentiell dialogisch. Das zeigt sich auch in ihren knappen Ausführungen zur Religionstheologie: Als Grundlage interreligiöser Lehr-Lernprozesse bezeichnet Zimmermann zwar den Pluralismus als das aktuell „politisch korrekte“ Modell, schränkt dies aber sofort wieder ein mit Hinweis auf eine Unvereinbarkeit mit dem Neuen Testament und der Schwierigkeit, „als überzeugter Christ bzw. als überzeugte Christin […] alle Wege zum Heil als für mich persönlich gleichwertig anzusehen“ (so ebd. 31).19

15 Weil für unsere Fragestellung weniger ergiebig sei an dieser Stelle nur angedeutet, dass Schweitzer von der dargelegten Basis ausgehend ausführlicher interreligiöse Kompetenzen (145-160) sowie im mehr praxisorientierten Teil die „Tübinger Elementarisierung“ auf das interreligiöse Lernen (179-219) erörtert.

16 Entsprechend deutlich fällt auch Schweitzers Absage an jede Form von Religionstheologie aus (vgl. 98ff.; 140 u.ö.).


17 Im Blick auf die festgestellte Nähe zur EKD-Denkschrift „Religiöse Orientierung gewinnen“ – Schweitzer war dort Mitautor – könnte die Monographie Schweitzers als ausführliche theoretische Grundlegung derselben gesehen werden.

18 Der Islam kennt zwar auch eine breite Erzähltradition (neben den Hadithen ist z.B. auch an die Geschichten aus 1001 Nacht zu denken), die allerdings vom Koran her nicht die gleiche inhärente religionsdidaktische Struktur aufweist wie die Traditionen der Hebräischen Bibel, in der das Erzählen didaktisch verankert ist (zu denken ist hier insbesondere an die Pessachtradition), während die Oralität des Korans auf die Rezitation beim Gebet – und damit primär nicht didaktisch – ausgerichtet ist.

19 Allerdings ist anzumerken, dass es in einer pluralistischen Theologie nicht darum geht, für sich persönlich unterschiedliche und differente Heilsvorstellungen als gleichwertig anzusehen und anzuerkennen. Bei Zimmermann bleibt hier eine Spannung zwischen theoretischer Einsicht und existentieller Aneignung, was sich auch an dem von ihr eingebrachten Zitat von Doedens zeigt, dass letztlich die oben formulierte Einschränkung bestätigt und die Spannung bei Zimmermann aufzeigt.

Im Jahr 2016 veröffentlichte Georg Langenhorst seine Studie „Trialogische Religions-pädagogik. Interreligiöses Lernen zwischen Judentum, Christentum und Islam“, in der er anfangs den Dialog (Langenhorst 2016, 37-59) und die Religionstheologie (ebd. 50-88) jeweils ausführlich erörtert, was schon zu Beginn deren Bedeutung für seine Studie anzeigt. So resümiert er: „Ein echtes, an den idealtypischen Anforderungen eines Dialogs orientiertes interreligiöses Lernen ist offenbar nur im Modell des pluralistischen Ansatzes möglich“ (ebd. 88). Diese idealtypischen bzw. theoretischen Überlegungen halten jedoch dem Praxistest nicht stand (vgl. z.B. 74/75) und werden im Laufe der Erörterungen in doppelter Weise geerdet, sofern Dialogbegegnungen im Sinne Meyers (s.o.) auch medial vermittelt sein können (vgl. bes. 102f.) und die Religionstheologie durch eine vorherige Beheimatung in den jeweils beteiligten Reli-gionen eingeschränkt wird (vgl. ebd. bes. 90/91). So hat das trialogische Lernen als „religionspädagogisches Prinzip“ (ebd. 158 u.ö.; vgl. insgesamt 158-179) genuin die drei monotheistischen Religionen im Visier und seinen Mittelpunkt in der christlichen Religionspädagogik: „Trialogisches Lernen wird hier verstanden als eigenständige Dimension religionspädagogischer Theorie und Praxis, entstanden, entwickelt und zielend zunächst auf den christlich geprägten (konfessionellen) Religionsunterricht, wenngleich geöffnet und eingespannt in den allgemeinen Rahmen interreligiösen Austausches auf allen Ebenen von der Elementarpädagogik bis zur Erwachsenenbildung“ (ebd. 158; Kursivierungen im Original). Es geht für Langenhorst damit letztlich, was wiederum seine Fokussierung auf das Christentum zeigt, um ein „Grundprinzip christlichen Denkens“ (ebd. 173; Kursivierung im Original). Beim „´trialogischen Lernen´ [geht es damit] um den auf Kenntnissen und Erfahrungen beruhenden Aufbau von Handlungs- sowie Partizipationskompetenzen im Umgang mit Judentum und Islam, um religiöse Dialogfähigkeit, sofern sich tatsächliche Begegnungen mit Juden und Muslimen ergeben, sowie um Ambiguitätstoleranz, die sich der bleibenden Unterschiede, Spannungen und Konflikte bewusst ist und diese aushält“ (ebd. 179). Nach einer Darstellung des trialogischen Lernens in unterschiedlichen Kontexten sowie der Erörterung von trialogischen Konkretionen weitet Langenhorst den Blick über die monotheistischen Religionen hinaus, indem er den noachitischen Bund – und da-mit alle Menschen und alle Religionen – in den Blick nimmt, so dass das trialogische Lernen nach Langenhorst offen ist für weitere „Religionen, Weltanschauungen, Themen, Formen und Zugänge […] im Profil Noahs“ (ebd. 403). Obgleich Langenhorst auf theoretischer Ebene den Dialog sehr hoch und im Zusammenhang der Religionstheologie ansiedelt, bleibt er auf der praktischen Ebene deutlich in klassisch konfessionellen Mustern christlich-religionspädagogischer Ausrichtung beheimatet. Es ist Langenhorsts Verdienst, diese theoretische Weite in den Diskurs eingebracht zu haben. In ihren Konsequenzen könnte seine trialogische Religionspädagogik, folgte er stärker seinem theoretischen Ansatz, noch weitaus relevanter für eine Religionspädagogik der Vielfalt werden, würden alle Religionen gleichermaßen aufgenommen – und damit der Dialog als religiöse Subjekte verändernde Potentialität ernstgenommen.

In seiner 2016 erschienen Dissertation “Fremde(,) Schwestern und Brüder. Kooperativer Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen“ gründet Stephan Pruchniewicz das Projekt „Verschiedenheit stärken – Gemeinschaft stärken“ der Theodor-Heuss-Schule in Offenbach20 aus katholischer Perspektive theoretisch. In dem Projekt wird – in Analogie zum Hamburger RUfa – unter christlicher Verantwortung (evangelisch /katholisch) der Religionsunterricht in größtmöglicher dialogischer Offenheit und Weite projektmäßig konzipiert und gestaltet unter Einbeziehung nichtchristlicher Religionslehrkräfte in Form des Team-Teaching. Wegweisend und überzeugend begründet Pruchniewicz für den katholischen Religionsunterricht in Theorie und Praxis eine konfessionell-kooperative wie auch interreligiöse Weitung desselben als notwendigen Schritt hin zu einem zukunftsfähigen Religionsunterricht. Allerdings bleibt er damit in letzter Konsequenz innerhalb der katholischen Tradition verhaftet – und eine Weitung hin auf eine religiöse Bildung in der Vielfalt in der Form eines konsequent dialogischen Religionsunterrichts von und für alle Religionen wäre der nächste Schritt.

Im Jahr 201821 erschien von Clauß Peter Sajak das Lehrbuch „Interreligiöses Lernen“, welches einen kompakten Überblick über die gesamtchristliche Religionspädagogik im Blick auf das interreligiöse Lernen geben möchte: Entsprechend fasst Sajak in knapper aber zugleich umfassender Weise die Historie interreligiösen Lernens zusammen, beschreibt und erörtert Voraussetzungen, Erfahrungen und Perspektiven und benennt dabei jeweils in sachlicher Weise Positionen, Entwicklungen und die Vielzahl von unterschiedlichen Forschungsansätzen, Diskussionen und vermeintliche Standards. Entsprechend dem Genus eines Lehrbuches ist das Werk Sajaks sehr neutral verfasst und gibt kaum Einblicke in sein eigenes positionelles Denken. Vor dem Hintergrund seiner Dissertation ist allerdings für Sajak „Interreligiöses Lernen als Zeugnislernen“ (vgl. ebd. 61ff.) als eigener Standort zu diagnostizieren: Sajak selbst favorisiert also eine Form interreligiösen Lernens als Weise des Zeugnislernens, durch das Menschen befähigt werden, „Religionen in ihrer Fremdheit zu akzeptieren und in der Begegnung mit ihnen zu einem besseren Verständnis dieser zu gelangen. Dabei sollen die Lernenden eigene Unsicherheiten, Ängste und Aggressionen ablegen und einen reflektierten Umgang in Sachen Religion einnehmen können“ (ebd. 89). Aus dieser allgemein gehaltenen Zusammenfassung ist für Sajak selbst die latente Tendenz zu entnehmen, nach der interreligiöses Lernen wissensorientiert (kognitiv) ausgerichtet sein und ethisch auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt bzw. das Zusammenleben orientiert sein soll. Dass Sajak interreligiöse Lernprozesse weniger im Kontext einer pluralistischen Religionstheologie ansiedelt als vielmehr beim religionspädagogischen Umgang mit religiöser Vielfalt eine Form der Beheimatung präferiert, zeigt seine Einschätzung zur interreligiösen Kompetenz: „Es geht also um Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit denen Schülerinnen und Schüler sich das Wissen um und über den eigenen Glauben, die eigene Religion, aber eben auch die Glaubensvorstellungen und Lebenspraktiken von Menschen anderer Religionen erschließen und aneignen können“ (ebd. 30).

20 Zum Projekt und seinen Auszeichnungen siehe auch https://ths.schulen-offenbach.de/unsere-schule/auszeichnungen/ sowie https://ths.schulen-offenbach.de/wp-content/uploads/2018/07/Abraham_2_Vernunft.pdf.

21 Jüngst publizierten im Jahr 2018 auch Thomas Schlag und Jasmine Suhner die kleine Schrift „Interreligiöses Lernen im öffentlichen Bildungskontext Schule. Eine theologisch-religionspädagogische Annäherung“, in der die schweizerische Perspektive religiöser Bildung im öffentlichen Raum reflektiert wird vor dem Hintergrund des dortigen Faches „Ethik – Religionen – Gemeinschaft“ (ERG), womit hier kein klassischer Religionsunterricht, z.B. nach deutschem Muster nach dem GG 7,3, vorliegt. Entsprechend geht es Schlag und Suhner um eine theologische Begründung und Verortung des (Teil-)Fachbereiches Religion im Kontext des Gesamtfaches wie auch der schweizerischen Fächerlandschaft insgesamt sowie um eine bildungstheoretische Bestimmung der Voraussetzungen (z.B. globale Veränderungen) und der Ziele (z.B. Kompetenzen) von ERG. Folgerichtig müssen in der Schweiz im Rahmen dieses Unterrichts die Formate und Leitlinien interreligiöser Lehr-Lernprozesse bildungstheoretischen Charakter haben und können nicht streng positional (konfessorisch) konzipiert sein, weshalb beispielsweise der Charakter des Dialogs einerseits im Kontext der Begegnungen, des Kennenlernens und der Wissensvermittlung verortet wird (vgl. z.B. 54), es jedoch andererseits in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen auch vorkommen kann, das eigene Positionen bestätigt, negiert, überprüft oder weiterentwickelt werden können (vgl. 54; (eine Theologie der Religionen als mögliche Matrix interreligiösen Lernens wird nicht thematisiert)).

In seiner Dissertation „Religionsunterricht für alle“ entfaltet Jochen Bauer (2019) als Fachreferent für Religion in der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung eine religionspädagogische Theorie des in den letzten Jahren neu konzipierten Hamburger Modells RUfa (siehe dazu ausführlicher oben). Nach der Erörterung der Geschichte des RUfa in Hamburg liegt der Schwerpunkt Bauers in der theoretischen Darlegung, wobei neben dem Inhalt und dem Individuum die Wahrheit die dritte Dimension ist, die für Bauer konstitutiv für den Religionsunterricht ist. Ihm geht es dabei letztlich um „die Selbstklärung im differenzierenden Vergleich“ Bauer 2019, 272) und eine religionstheologische Begründung der Subjektwerdung: „Die Begegnung mit der fremden Religion ist keine sekundäre Aufgabe, sondern konstituiert die religiöse Identitätsbildung. Damit sind Beheimatungsansätze zurückzuweisen, die interreligiöse Begegnung erst nach der Bildung einer festen Identität für möglich und sinnvoll erachten“ (a.a.O., 272/273). Bauer protegiert damit einen differenzhermeneutischen Ansatz (vgl. pointiert a.a.O. 273), dessen Stärke für ihn darin liegt, dass die Begegnung der Religionen in den Blick komme und ein Prozess in Gang komme, „der individuelle und kollektive Selbstkonstituierung und Selbstkritik ermöglicht“ (a.a.O. 273). Das führt Bauer zu einer Ausarbeitung der didaktischer Potentiale der Komparativen Theologie in der Ausrichtung von Klaus von Stosch – gegenüber einem pluralistischen Ansatz, der nach Bauer leicht ins „religiös Beliebige oder ins Monoreligiöse kippen“ (a.a.O. 268) könne. Insgesamt ist es das Verdienst von Bauers Arbeit, das didaktische Potential des RUfa als dialogischem Religionsunterricht eindrucksvoll darzustellen, insbesondere die uns interessierende didaktische Fokussierung auf religionstheologische Aspekte und die positionelle Selbstfindung als ein wesentliches Ziel eines dialogischen Religionsunterrichts im Klassenverband für alle in der Pluralität.

Im Jahr 2020 veröffentlichte eine vom PTI Bonn und vom Bonner evangelischen Institut für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor – Universität Bonn) initiierte Projektgruppe „Interreligiöse Religionspädagogik“ ein Diskussionspapier mit dem Titel „Dialog und Transformation. Auf dem Weg zu einer pluralistischen Religionspädagogik“, das versucht eine theologische Basis für einen Religionsunterricht zu legen, die von TheologInnen und ReligionspädagogInnen aus dem Judentum, dem Christentum und dem Islam getragen wird: „Eine Religionspädagogik, die zur Wahrnehmung und zum Verstehen religiöser Pluralität und zur Anerkennung der mit Religionen verbundenen Ansprüche auf Heil und Wahrheit anleiten möchte, überwindet eine auf Abgrenzung bezogene Deutung von Unterschieden und zielt auf die Entwicklung einer Gemeinschaft, in der Unterschiede ihre trennende Wirkung verlieren. Wir verfolgen einen Ansatz, der es erlaubt, Religion zu vermitteln, ohne dabei zwangsläufig andere Formen herabzuwürdigen. Vielmehr geht es uns um eine positive Wertung der Vielfalt der Religion“ (7). Es geht in dem Papier um die „Verständigung über gemeinsame Grundlinien und Prinzipien von religionspädagogischer Theorie und Praxis“ (a.a.O. 7). Die Tiefentheologie Abraham Heschels aufnehmend entfaltet die Projektgruppe eine Theorie eines interreligiösen Dialogs auf der Ebene der Religionsgemeinschaften wie auch der der Schüler*innen. Dieser Dialog inkludiert vor dem Hintergrund der Wahrnehmung von Differenzen und Gemeinsamkeiten der Religionsgemeinschaften im Sinne der Transdifferenz (Ephraim Meir) auch eine religiöse Selbstkonstitution im Lichte des anderen.

Carolin Simon-Winter stellt im Jahr 2020 das mittlerweile sogenannte „Offenbacher Modell“ – „Verschiedenheit achten – Gemeinschaft stärken“ – aus evangelischer Sicht dar (aus katholischer Sicht siehe oben Pruchniewicz 2016), wobei sie die erprobte Unterrichtspraxis anhand der Abrahamsgeschichte in den Schriften der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam entfaltet. In der folgenden theoretischen Fundierung erörtert sie die Idee des komplementären Lernprozesses (Simon-Winter 2020, 104-115) und setzt diese in Bezug zu den praktischen Unterrichtsteilen, die auch für nichtreligiöse Schüler*innen konzipiert sind. Nach Simon-Winter geht es in der religiösen Bildung um eine dynamische Aktivität (Beweglichkeit), die allein aus einer reflektierten Positionalität heraus möglich ist und in dieser Positionalität findet (Standhaftigkeit). Bei Simon-Winter zielt diese Dynamik auf einen Dialog, der auch zu einer Veränderung der Dialogteilnehmer*innen führen kann, d.h. eine Neupositionierung des religiösen Selbstverständnisses inkludiert. Damit wird in diesem Projekt ein Dialogverständnis vorausgesetzt, das die weitreichendste Offenheit vorsieht, nämlich die offene Haltung, dass sich auch das religiöse Selbstkonzept erst in der Begegnung mit dem religiös anders Glaubenden wahrhaft entwickeln und erschließen kann. Simon-Winters Arbeit zeichnet sich durch diese Offenheit aus – sei es im Dialogverständnis wie auch in der Inklusion nichtreligiöser Schüler*innen.

Interreligiöses Lernen ist angekommen in der Breite der religionspädagogischen Diskussion. Waren es anfangs nur Generalist*innen oder Spezialist*innen, die sich im letzten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts sowie zu Beginn des neuen Jahrtausends mit diesem Thema beschäftigten, ist es mittlerweile aus keinem Grundlagenwerk mehr wegzudenken. Waren es anfangs grundlegende theoretische Fragen wie z.B. bei Nipkow und bei Küng oder Erfahrungen in Ballungsräumen wie Duisburg/Essen, die z.B. Rickers motivierten sich mit dem Thema zu beschäftigen, gab es anschließend eine gedrosselte theoretische Schaffenskraft, während die praktisch orientierten Arbeiten weiter florierten.22

Der Grund für diesen Rückgang dürfte die in dieser Zeit auftretende Skepsis in landeskirchlichen und kirchenleitenden Gremien gegenüber dem christlich-islamischen Dialog gewesen sein. Für diese Skepsis, die Anfang bis Mitte des ersten Jahrzehnts auf evangelischer Seite aufkam, steht in der EKD die kontrovers diskutierte Handreichung des Rates der EKD „Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“, die auch als Reflex auf die Ereignisse des Septembers 2001 zu sehen ist. Mittlerweile gibt es neben unzähligen praxisorientierten Bildungsprojekten (auch über den schulischen Bereich hinaus) auch wieder grundlegende Arbeiten zum Interreligiösen Lernen. Es gehört heute zur Grundüberzeugung vieler, dass über die konfessionellen Kooperationen hinaus von der Schulwirklichkeit her interreligiöse Perspektiven mehr als notwendig sind.

Das „Interreligiöse Lernen“ ist heute ein Querschnittsthema der evangelischen, der katholischen und mittlerweile auch der islamischen Religionspädagogik.23 Kombinierbar ist das Interreligiöse Lernen mittlerweile auch mit allen anderen Konzepten der Religionspädagogik, sei es bei der Symboldidaktik, der Frage religiöser Symbole in den Religionen (z.B. Interreligiöses Lernen als Zeugnislernen), bei der Frage nach Kompetenzen in interreligiöser Perspektive, beim didaktischen Programm der Elementarisierung oder bei der Idee interreligiöses Lernen narrativ zu konzipieren.24 Das „Interreligiöse Lernen“ ist damit eine Facette einer in sich selbst vielfältigen inklusiven Religionspädagogik und folgerichtig zugleich auch eine wesentliche Dimensionen in anderen Bereichen der „inklusiven Religionspädagogik“.

Von der Praxis her dürfte der Hamburger „Religionsunterricht für alle“ (RUfa) das am weitesten ausgereifte Modell sein, das von daher getrost auch als „Praxisvollversion“ interreligiösen Lernens bezeichnen werden kann, sofern dort in Theorie und Praxis religiöse Bildung in der Vielfalt am profiliertesten und, was den Dialog und die authentische Begegnungskultur im realen Religionsunterricht angeht, auch am weitreichendsten entwickelt und durch eine interreligiöse Verantwortung und Beteiligung realisiert worden ist. Diese als RUfa 1.0 bezeichnete Form eines dialogischen und konsequent subjektorientierten Religionsunterrichts stellt aber auch in seiner administrativ bedingten Weiterentwicklung einen Fortschritt dar: Denn bei RUfa 2.0 wird auf staatlicher Seite in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften ein Weg gesucht, wie ein RUfa bei einer Trägerschaft von mehreren Religionen und in der Ver-antwortlichkeit von mehreren Religionsgemeinschaften so ausgeprägt wie möglich dialogisch realisiert werden kann. Darin ist der RUfa 2.0 wieder ein Vorreiter, da die dort zu bewältigende religiöse Vielfalt und die daraus entstehende Komplexität bei den in die Verantwortung einzubindenden Religionsgemeinschaften auch überall sonst in Deutschland zu berücksichtigen sein wird, wenn es darum geht, einen Religionsunterricht in interreligiöser Vielfalt zu konzipieren, der den gesellschaftlichen wie auch religiösen Entwicklungen unserer Gesellschaft gerecht zu werden vermag.

Von der Theorie her stehen der Dialog und das Verständnis von diesem im Mittelpunkt des Diskurses über die Ausrichtung und die Qualität von interreligiösen Lehr-Lern-Prozessen. Vom Dialog(verständnis) abhängend wurde logisch konsequent auch immer wieder das theologische Verhältnis der Religionen untereinander, meist in Auseinandersetzung mit einer „Theologie der Religionen“, diskutiert. Für den Diskurs um das „Interreligiöse Lernen“ haben sich damit zwei wesentliche Themenfelder herausgebildet, wobei der dialogische Charakter interreligiösen Lernens – im Gegensatz zur Relevanz einer pluralistischen Religionstheologie – immer weniger strittig war als eine pluralistische Religionstheologie. In diesem Spannungsfeld wird sich das interreligiöse Lernen in der Schule als eine wesentliche Zukunftskomponente des Religionsunterrichts weiterentwickeln müssen. Auf das Gelingen werden alle gespannt sein, die sich für eine religiöse Bildung im öffentlichen Raum der Schule einsetzen.

22 Damit gab es auf evangelischer Seite auch keine Pause oder Leerstelle in der interreligiösen Diskussion, wie es Schweitzer vermutete (vgl. Schweitzer 2014, 32f.).

23 Ein Zeichen ist hierfür die interreligiöse Herausgeberschaft des Buches „Kooperation im Religionsunterricht: Chancen und Grenzen interreligiösen Lernens. Beiträge aus evangelischer, katholischer und islamischer Perspektive“, Münster 2017, das auf das gleichfalls interreligiös getragene und verantwortete „Christlich-Islamische Form Religionspädagogik“ (CIFR; Quelle: https://www.uni-muenster.de/ZIT/Projekte/CIFR/index.html) zurückgeht.

24 Ein Beispiel hierfür bietet jüngst das 2019 erschienene Sammelwerk Religion unterrichten in Vielfalt. Konfessionell – religiös – weltanschaulich“, in dem im dritten Hauptteil das religiöse Lernen in religiöser Vielfalt in gängigen religionsdidaktischen Ansätzen (z.B. Bibliodrama, Bibliolog oder Diakonisches Lernen) vorgestellt wird.

1990 Küng, Hans, Projekt Weltethos, München 11990 (41992).
1990 Nipkow, Karl Ernst, Bildung als Lebensbegleitung und Erneuerung. Kirchliche Bildungsverantwortung in Gemeinde, Schule und Gesellschaft, Gütersloh 1990.
1991 Ziebertz, Hans-Georg, Interreligiöses Lernen. Herausforderungen durch die Theologien des Interreligiösen Dialogs. In: Katechetische Blätter 116 (1991) 5, 316-327.
1993 Haußmann, Werner, Dialog mit pädagogischen Konsequenzen? Perspektiven der Begegnung von Christentum und Islam für die schulische Arbeit. Ein Vergleich der Entwicklungen in England und der Bundesrepublik Deutschland (Pädagogische Beiträge zur Kulturbegegnung Bd. 13), hg. von Johannes Lähnemann, Hamburg 1993.
1993 Kuschel, Karl-Josef, Das Parlament der Weltreligionen 1893/1993, in: Erklärung zum Weltethos. Die Deklaration des Parlamentes der Weltreligionen, hg. von Hans Küng und Karl-Josef Kuschel, München 1993, 89-123.
1994 Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1994.
1994 Kuschel, Karl-Josef, Christologie und interreligiöser Dialog. Zum Problem der Einzigartigkeit Christi im Gespräch mit den Weltreligionen, in: Religiöser Pluralismus und interreligiöses Lernen (Theologie & Empirie 22), hg. von Johannes A. van der Yen / Hans-Georg Ziebertz, Weinheim 1994,89-112.
1994 Ziebertz, Hans-Georg, Mono-, multi-, interreligiös? Religionen als religionspädagogische Herausforderung, in: EvErz 46 (1994), 328-337.
1994 Ziebertz, Hans-Georg, Religiöse Lernprozesse und religionstheologisches Bewusstsein, in: Religiöser Pluralismus und interreligiöses Lernen (Theologie & Empirie 22), hg. von Johannes A. van der Ven I Hans-Georg Ziebertz, Weinheim 1994, 233-275.
1995 Leimgruber, Stephan, Interreligiöses Lernen, München 1995 (Neuauflage München 2007).
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1996 Knauth, Thorsten, Dialog und kritische Religionspädagogik, in: Vom Monolog zum Dialog. Ansätze einer interkulturellen dialogischen Religionspädagogik (Jugend – Religion·- Unterricht Bd. 1), hg. von Wolfram Weiße, Münster/New York 1996, 59-76.
1996 Kuschel, Karl-Josef, Streit um Abraham. Was Juden, Christen und Muslime trennt- und was sie eint, München 1996.
1996 Weiße, Wolfram, Ökumenisch-interkulturelles Lernen und interreligiöse Dialogerfahrungen, in: Vom Monolog zum Dialog. Ansätze einer inter-kulturellen dialogischen Religionspädagogik (Jugend – Religion- Unterricht I), hg. von Wolfram Weiße, Münster/New York 1996, 77-96.
1997 Doedens, Folkert, lnterreligiöses Lernen im ‚Religionsunterricht für alle‘. Vielfalt in Gemeinsamkeiten lernen. In: Religionsunterricht für alle. Hamburger Perspektiven zur Religionsdidaktik (Religionspädagogik in einer multikulturellen Gesellschaft Bd. 1), hg. von Folkert Doedens / Wolfram Weiße, Münster/New York/München/Berlin 1997, 55-81.
1997 Gloy, Horst, Dem interreligiösen Religionsunterricht gehört die Zukunft, in: Religionsunterricht für alle. Hamburger Perspektiven zur Religionsdidaktik. In: Religionsunterricht für alle. Hamburger Perspektiven zur Religionsdidaktik (Religionspädagogik in einer multikulturellen Gesellschaft Bd. 1), hg. von Folkert Doedens / Wolfram Weiße, Münster/New York/München/Berlin 1997, 82-103.
1997 Wunderlich, Reinhard, Pluralität als religionspädagogische Herausforderung (Arbeiten zur Religionspädagogik 14), Göttingen 1997.
1998 Kuschel, Karl-Josef, Vom Streit zum Wettstreit der Religionen. Lessing und die Herausforderungen des Islam (Weltreligionen und Literatur I), Düsseldorf 1998.
1998 Lähnemann, Johannes, Evangelische Religionspädagogik in interreligiöser Perspektive, Göttingen 1998.
1998 Nipkow, Karl Ernst, Bildung in einer pluralen Welt, Bd I: Moralpädagogik im Pluralismus, Gütersloh 1998.
1998 Nipkow, Karl Ernst, Bildung in einer pluralen Welt, Bd.2: Religionspädagogik im Pluralismus, Gütersloh 1998.
1998 Rickers, Folkert / Gottwald, Eckart (Hg.), Vom religiösen zum interreligiösen Lernen. Wie Angehörige verschiedener Konfessionen lernen. Möglichkeiten und Grenzen interreligiöser Verständigung, hg. von Folkert Rickers / Eckart Gottwald, Neukirchen-Vluyn 1998.
1998 Rickers, Folkert, Interreligiöses Lernen: Die religionspädagogische Herausforderung unserer Zeit, in: Vom Religiösen zum interreligiösen Lernen. Wie Angehörige verschiedener Konfessionen lernen. Möglichkeiten und Grenzen interreligiöser Verständigung, hg. von Folkert Rickers / Eckart Gottwald, Neukirchen-Vluyn 1998, 119-139.
1996 Weiße, Wolfram (Hg.), Vom Monolog zum Dialog. Ansätze einer interkulturellen dialogischen Religionspädagogik (Jugend – Religion- Unterricht I), Münster/New York 1996, 77-96.
1999 Küng, Hans, Spurensuche. Die Weltreligionen auf dem Weg, München / Zürich 1999.
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2000 Goßmann, Klaus, Interreligiöser Dialog und christliche Identität, in: Interreligiöse Begegnungen. Ein Lernbuch für Schule und Gemeinde, hg. von Hans-Christoph Goßmann / Andre Ritter (Studien zum interreligiösen Dialog Bd. 4), Hamburg 2000, 19-29.
2000 Roebben, Bert, Interreligiöses Lernen im Rahmen des Religionsunter-richts. Eine praktisch-theologische Erkundung. In: Religion im Dialog der Kulturen. Kontextuelle religiöse Bildung und interkulturelle Kompetenz (Forum Religionspädagogik interkulturell Bd. 2), hg. von Thomas Schreijäck, Münster/Hamburg/London 2000, 231-249.
2001 Hellmann, Christian, Religiöse Bildung, Interreligiöses Lernen und Interkulturelle Pädagogik. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung zur religiösen und interkulturellen Erziehung in der Moderne, Marburg 2001.
2001 Kuschel, Karl-Josef, Zur theologischen Grundlegung eines Miteinander von Juden, Christen und Muslimen, in: Islamischer Religionsunterricht Grundlagen, Begründungen, Berichte, Projekte, Dokumentationen, hg. von Urs Baumann, Frankfurt/M. 2001, 33-65 2002.
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2002 Biesinger, Albert / Friedrich Schweitzer / Boschki, Reinhold (u. a.), Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden. Erfahrungen und Perspektiven zum konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, Freiburg i. Br. / Basel / Wien 2002.
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2003 Gottwald, Eckart / Mette, Norbert (Hg.), Religionsunterricht interreligiös. Hermeneutische und didaktische Erschließungen. Festschrift für Folkert Rickers, Neukirchen-VIuyn 2003.
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2006 Obermann, Andreas, Religion unterrichten zwischen Kirchturm und Minarett. Perspektiven für einen dialogisch-konfessorischen Unterricht der abrahamischen Religionsgemeinschaften an berufsbildenden Schulen (Christentum und Islam im Dialog Bd. 8), Münster, 2006.
2009 APPELL zur Weiterentwicklung der religiösen und ethischen Bildung in den Schulen Nordrhein-Westfalens durch die Ausgestaltung der Fächergruppe religiöse und philosophisch-ethische Bildung zur angemes-senen Einbeziehung der religiösen Vielfalt in die schulische Bildung und zur Stärkung der gemeinsamen Verantwortung von Schulaufsicht und Religionsgemeinschaften für die religiöse Bildung und Werteerziehung aller Schülerinnen und Schüler.
2011 Willems, Joachim, Interreligiöse Kompetenz. Theoretische Grundlagen – Konzeptualisierungen – Unterrichtsmethoden, Wiesbaden 2011.
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2013 Graßal, Lucas, Wie Religion(en) lehren? Religiöse Bildung in deutschen religionspädagogischen Konzeptionen im Licht der Pluralistischen Religionstheologie von John Hick (Pädagogische Beiträge zur Kulturbegegnung Bd. 30), Berlin 2013.
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2014 Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gütersloh 2014.
2014 Schweitzer, Friedrich, Interreligiöse Bildung. Religiöse Vielfalt als religionspädagogische Herausforderung und Chance, Gütersloh 2014.
2015 Zimmermann, Mirjam, Interreligiöses Lernen narrativ. Feste in den Weltreligionen, Göttingen 2015.
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2016 Pruchniewicz, Stephan, Fremde(,) Schwestern und Brüder. Kooperativer Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (RbB 9), Münster, 2016.
2017 Kuhlmann, Birgit, Religionsunterricht für alle in Hamburg 2.0. Didaktische Grundsätze und der aktuelle Stand der Weiterentwicklung. In: BRU-Magazin 68 (2017), 36-43.
2017 Lähnemann, Johannes, Lernen in der Begegnung. Ein Leben auf dem Weg zur Interreligiosität, Göttingen 2017.
2018 Sajak, Clauß Peter, Interreligiöses Lernen, Darmstadt 2018.
2018 Schlag, Thomas / Suhner, Jasmine, Interreligiöses Lernen im öffentlichen Bildungskontext Schule. Eine theologisch-religionspädagogische Annäherung (ThSt 13), Zürich 2018.
2019 Religion unterrichten in Vielfalt. Konfessionell – religiös – weltanschaulich, hg. von Eisenhardt, Saskia / Kürzinger, Kathrin S. / Naurath, Elisabeth / Pohl-Patalong, Uta, Göttingen.
2019 Bauer, Jochen, Religionsunterricht für alle. Eine multitheologische Fachdidaktik (Religionspädagogik innovativ Bd. 30), Stuttgart.
2019 Meyer, Karlo, Grundlagen interreligiösen Lernens, Göttingen.
2020 Projektgruppe „Interreligiöse Religionspädagogik“, Dialog und Transformation. Auf dem Weg zu einer pluralistischen Religionspädagogik. Ein Diskussionspapier, Bonn (abrufbar unter https://www.bibor.uni-bonn.de/diskussionspapier-dialog-und-transformation.-auf-dem-weg-zu-einer-pluralistischen-religionspaedagogik).
2020 Simon-Winter, Carolin, Standhafte Beweglichkeit. Chancen eines dialogischen Religions- und Ethikunterrichts mit ausgeführtem Praxisbeispiel „Von Abraham zu Habermas“ (RbB 10), Münster.

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2 Kommentare

  1. Thorsten Knauth, Interreligiöse Religionspädagogik im Elementar- und Primarbereich Thorsten Knauth stellt in seinem Beitrag dar, was interreligiöse Religionspädagogik bedeutet und wie sie schon vom Elementarbereich an der religiösen Vielfalt Rechnung tragen kann. Dabei geht er zunächst auf den Zusammenhang von religiöser Bildung und interreligiösem Lernen ein, zeichnet dann Entwicklungen und religionspädagogische Ansätze nach und schließt […]

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